Qualitätsbier statt „Industriebier“

Der Pro-Kopf-Verbrauch an Bier und die Umsätze der rund 1.300 Brauereien in Deutschland sinken seit Jahren. Mit pfiffigen Ideen und vollem Einsatz der Inhaber kann sich die mittelständische Kaiser-Brauerei in Geislingen/Steige in der Region Stuttgart dennoch gut behaupten

Noch ist Bier das liebste alkoholische Getränk der Deutschen. Doch der Pro-Kopf-Verbrauch und die Umsätze der rund 1.300 Brauereien im Land sinken seit Jahren. Zugleich bedrängen ausländische Braukonzerne den ohnehin hart umkämpften deutschen Biermarkt. Mit pfiffigen Marketing-Ideen und vollem Einsatz der Inhaber kann sich die Kaiser-Brauerei in Geislingen/Steige in der Region Stuttgart dennoch gut behaupten. Genussvolles Trinken, so die „Brauer mit Leib und Seele“, dürfe man nicht den Winzern überlassen.

Wenn in der Kaiser-Brauerei die Bierkessel dampfen, hängt der Geruch über der ganzen Geislinger „Oberen Stadt’. Betritt man das Werksgelände, wo Braumeister Ulrich Rink bereitwillig die Grundsätze des Bierbrauens erklärt, nimmt einem der Dunst von heißem Sud aus geschrotetem Malz und mineralstoffreichem Albquellwasser fast den Atem. Ist der Gerstensaft endlich fertig, wird er in großen Edelstahltanks gekühlt, durch weit verzweigte Rohrsysteme vom Sudhaus bis zur Abfüllung gepumpt. An den meisten Stationen des aufwändigen Brauprozesses ist es kühl und feucht; als Ulrich Rink am Kopfende der Filteranlage, die aussieht wie eine viel zu groß geratene Ziehharmonika, ein Probe des ganz frischen Biers zapft, ist dieses bereits eiskalt. Bierkenner sagen: Es hat „eine prächtige Blume, die noch lange im Glas stehen bleibt“.

Rohstoffe aus heimischem und kontrolliertem Anbau: Qualitätsbier statt „Industriebier“

Filtertechnik, Kühltanks und alle anderen Anlagen auf dem Gelände der Kaiser-Brauerei sind auf dem neuesten Stand der Technik, von einem Investitionsstau wie bei vielen Unternehmen in diesem Markt mit niedrigen Umsatzrenditen ist hier nichts zu sehen. Vom Drucktank im Kühlhaus bis zur Hightech-Flascheninspektionsmaschine in der Abfüllung entspricht alles dem Credo der beiden Inhaber Hans-Friedrich und Ulrich Kumpf, die traditionelles Brauhandwerk mit moderner Technik betreiben. Großindustrielle Produktionsmethoden passen indes nicht ins Konzept der agilen Unternehmerbrüder: Hier wird nur Qualitätsbier hergestellt, „Industriebier“ kommt nicht in Frage. Der Unterschied fängt für Ulrich Kumpf schon beim Einkauf an, denn in die Kaiser-Sudkessel gelangen nur Rohstoffe aus heimischem und kontrolliertem Anbau. „Wir verfolgen ein Qualitätskonzept vom Halm bis zum Bierglas“, macht Ulrich Kumpf deutlich, Lieferanten seien
nur Landwirte aus der Region, zu denen man persönlichen Kontakt habe. „Besseres Malz gibt auch besseres Bier“, unterstreicht Hans-Friedrich Kumpf die Bedeutung der Rohstoffqualität für das Endprodukt. Die Gefahren anonymer Einkaufsbeziehungen hätten die jüngsten Fleischskandale gezeigt.

Regionale Verankerung, überregionales Vorbild

Die kompromisslos regionale Orientierung nennen die Kumpf-Brüder als weiteren Erfolgsgaranten. Die Pflege der Kontakte zu den regionalen Gastronomen ist der Schlüssel dazu. Mit berechtigtem Stolz bezeichnen sich Hans-Friedrich und Ulrich Kumpf als Marktführer im Kreis Göppingen. „Die Kaiser-Brauerei hat eine Gastronomie-Quote von mehr als 50 Prozent, angesichts der harten Konkurrenz ist das sehr viel“, sagt Hans-Friedrich Kumpf. Auch beim Getränkefachhandel ist Kaiser-Bier sehr gefragt. Da man jeden Kunden innerhalb einer Stunde erreichen können wolle, sei Kaiser-Bier bereits im nahen Nordbaden eine begehrte „Bierdelikatesse“. So setzt diese Erfolgsstrategie – oder Geschäftsphilosophie, wenn man so will – auf einen überschaubaren Aufwand für Logistik und Marketing. Während Großbrauereien im Kampf um Marktanteile Millionen in die Fernseh- und Plakatwerbung stecken müssen, ist für das Geislinger Familienunternehmen der persönliche Kundenkontakt unbezahlbar. „Wir verstehen uns als Teil eines regionalen Netzwerks“, so Hans-Friedrich Kumpf, „und regionale Produkte sind auch regionale Arbeitsplätze.“ Vom Erfolg dieser Strategie, sind die Brüder überzeugt, könnten andere Unternehmen durchaus lernen. „Bei uns hat die konsequente Durchdringung des regionalen Marktes das Überleben gesichert.“ Vor dem Hintergrund des sinkenden Bierverbrauchs bei wachsendem Wettbewerbsdruck durch internationale Braukonzerne ist das alles andere als selbstverständlich.

Ideen und persönlicher Einsatz anstelle von Geld

Mit der Geschäftsentwicklung können die beiden Chefs zufrieden sein. Mit 42 Mitarbeitern werden in Geislingen jährlich 70.000 Hektoliter Bier produziert. Zehn Sorten Kaiser-Bier – vom Alkoholfreien bis zum dunklen Hefeweizen – werden angeboten. Hinzu kommen saisonale Spezialitäten wie das Maientagsbier.

„Lieblingsflaschen“ für den Bundestag

Neben der konsequenten Positionierung als regional verankertes Qualitätsbier verdankt sich der Erfolg der Kaiser-Biere den pfiffigen Marketing-Konzepten. Zu den größten Erfolgen gehörte eine – natürlich parteienneutrale – Kampagne zur Bundestagswahl 2002: Bis zum Wahltag zierten Karikaturen von Spitzenpolitikern die Etiketten der Biermarke „Kaiser Kult“, der Slogan „Wählen Sie ihre Lieblingsflasche“ war in aller Munde. Auch
über innovative Produkte gelingt es der Familienbrauerei immer wieder, neue Kunden
zu gewinnen. So brachten die Geislinger vier Wochen vor einer Großbrauerei, die mit grünen Segelschiffen für sich wirbt, ein Bier-Limonen-Mixgetränk auf den Markt – „Lemon Kult“ war auf Anhieb ein Renner. Natürlich wird Kaiser auch künftig mit derlei Aktionen auf sich aufmerksam machen. „Wir ersetzen große Budgets durch gute Ideen und persönlichen Einsatz“, sagt Hans-Friedrich Kumpf und verspricht: „Ich bin mir 150prozentig sicher, dass es uns auch noch in 25 Jahren geben wird.“