Besser als Wackelpudding

Die Esslinger Amedrix GmbH hat eine einfache und kostengünstige Behandlungsmethode entwickelt, um Gelenke wieder fit zu machen

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Neue Knorpel – einfach und praktisch (Foto: Amedrix)

Sie sind hochelastisch, biegsam und halten jede Menge Druck aus. Ohne die zahlreichen Knorpel an unseren Knochen könnten wir uns nicht bewegen. Wenn sich die Knorpelschicht durch das Alter oder hohe Belastung abnützt, wird es schmerzhaft. Dann helfen auch keine Gummibärchen und kein Wackelpudding mehr, die Gelatine enthalten und den Körper mit diesem wichtigen Stoff versorgen. Die Amedrix GmbH aus Esslingen hat für diese Fälle eine einfache und kostengünstige Behandlungsmethode entwickelt, um Gelenke wieder fitzumachen. Thomas Graeve, der Gründer des Biotechnologie-Unternehmens, produziert auf der Basis von tierischem Kollagen zellfreie Medizinprodukte, die das lebensnotwendige Weichteilgewebe schneller und kostengünstiger als andere Methoden wiederaufbauen.

So knautschig wie Gummibärchen

Kollagen ist eines der wichtigsten Bestandteile des menschlichen Körpers. Als Hauptkomponente des Bindegewebes kommt das Protein in Knochen, Knorpel, Zähnen, Bändern, Sehnen und in der Haut vor. „Unser ChondroFiller vereint erstmalig mehrere Vorteile“, sagt Thomas Graeve. Der Zellbiologe hat in den vergangenen fünf Jahren mit seinem Team von zehn Mitarbeitern ein Gel entwickelt, das mittels einer Spritze in die betroffene Stelle gefüllt wird. „So wird die fehlende Knorpelmasse lückenlos ausgefüllt“, erläutert Graeve das Prinzip. Umständliche und teure Operationen, wie sie bisher ausgeführt werden, entfallen. „Nur bei größeren Defekten, wenn der Hohlraum zu groß ist, wird weiterhin operiert“, erklärt Graeve. Doch auch in diesem Fall zeigen sich die Vorteile des von Amedrix entwickelten Produkts. Hier wird ein Kollagen-Gel, das mit der Konsistenz eines Gummibärchens vergleichbar ist, auf die passende Größe zugeschnitten und eingesetzt.

Heilmittel Kollagen

Das verwendete Gel aus Kollagen ist deutlich wirksamer als andere üblicherweise angewandte Methoden. Bislang versuchte man entweder das Knochenmark zu stimulieren, damit sich neue Faserknorpel bilden. Diese erreichten allerdings nie die Qualität, wie die vom Organismus selbst gebildete Knorpelmasse. Knorpeltransplantationen waren immer nur auf kleine Mengen begrenzt. Für Zelltransplantationen sind sogar zwei operative Eingriffe nötig. Auch künstlicher Gelenkersatz hat nur eine begrenzte Lebenszeit und wird vorwiegend bei älteren Patienten eingesetzt. Alle bisherigen Verfahren waren extrem aufwändig, teuer und nicht von Dauer. „Das azelluläre Gel wird mit einem Klebstoff aus speziellen Proteinen sicher und passgenau dort fixiert, wo Knorpel fehlt, oder als flüssiges Kollagen in den Defekt arthroskopisch appliziert und bildet dort in wenigen Minuten ein Gel“, erläutert Graeve. „In klinischen Studien hat sich gezeigt, dass Knorpelzellen und Stammzellen aus dem umgebenden Gewebe einwandern. Sie regen die Selbstheilung an, so dass sich innerhalb kurzer Zeit ein qualitativ hochwertiger neuer Gelenkknorpel bildet“, erläutert Graeve.

Unproblematisch und kostengünstig

Die Vorteile der von Amedrix entwickelten Implantate sind immens. „Wir brauchen keine Zellzüchtung mehr im Vorfeld, die Defekte werden vollständig ausgefüllt. Die Implantate sind einfach zu handhaben und der Eingriff ist kurz. Daher ist diese Behandlungsweise auch kostengünstiger.“ Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass die Implantate einfach zu lagern und sofort gebrauchsfertig sind. Graeve hat dieses Potenzial früh erkannt. Er arbeitet seit Jahren an Medizinprodukten und Arzneimitteln auf der Basis von Kollagen. Vor der Gründung seines eigenen Unternehmens im Jahr 2009 leitete er die Forschung und Entwicklung der Arthro Kinetics AG in Esslingen.

Millionen leiden an Gelenkverschleiß

Allein in Deutschland leiden fünf Millionen Menschen an Knorpelverschleiß. In den USA sind es rund 27 Millionen Menschen, die durch Erkrankungen der Gelenke beeinträchtigt sind. Gründe dafür gibt es viele. Je älter wir werden, umso mehr sind unsere Gelenke beansprucht. Risikosportarten verstärken die Anfälligkeit an den Gelenken zu erkranken und zunehmendes Körpergewicht ist nicht zu unterschätzen. Zehntausende Patienten werden jedes Jahr behandelt und hoffen auf Besserung.

Kooperation mit dem Fraunhofer IGB

Um das Verfahren für die Herstellung des Kollagenimplantats nach gültigen Richtlinien des Medizinproduktegesetzes zu optimieren und umzusetzen, arbeitet Amedrix mit dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) zusammen. „Unser speziell geschultes Personal am Fraunhofer IGB isoliert in diesem Projekt gemeinsam mit Amedrix-Mitarbeitern das Kollagen aus tierischen Sehnen und arbeitet es in den IGB-Reinräumen über verschiedene Stufen zu einem Medizinprodukt auf“, erläutert Markus Schandar vom Fraunhofer IGB in Stuttgart. Das IGB hat in diesem Bereich bereits sehr viel Erfahrung und ähnliche Produkte nach den Richtlinien des Arzneimittelgesetzes (AMG) entwickelt und mit den Firmen auf den Markt gebracht. Thomas Graeve arbeitete vor 20 Jahren als Abteilungsleiter am Fraunhofer Institut in Stuttgart mit Kollagenprodukten und war der Mitgründer der Biotechnologieunternehmen In Vitro Biotec und Arthro Kinetics AG.

Zertifiziert und patentiert

Die Amedrix GmbH hat zwei Patente für die flüssige Applikation von Kollagen eingereicht. Ihr erstes, gelartiges Produkt wurde bereits 2012 für den europäischen Markt zugelassen. Im Dezember 2013 erhielt eine Weiterentwicklung des gelartigen Kollagenimplantats die für die Zulassung in Europa notwendige CE-Zertifizierung. Sie gewährleistet, dass das Implantat sicher und medizinisch-technisch leistungsfähig ist. „Untersuchungen an Patienten zeigen, dass der Knorpeldefekt bereits nach sechs Monaten nahezu gefüllt ist“, so Graeve. Haustiere von der Katze bis zum Reitpferd profitieren ebenfalls von der Methode aus der Region Stuttgart. „Auch in der Veterinärmedizin zeigen sich sehr gute Erfolge“, berichtet ThomasGraeve.

Life Science Center als Basis

Amedrix ist inmitten des Esslinger Life Science Center angesiedelt. Das LSC ist einer der Standorte in der BioRegio STERN. Die Wirtschaftsförderung der Stadt Esslingen am Neckar betreut die LSC-Firmen in allen unternehmerischen Fragestellungen. Sie organisiert Beratung und Finanzierung einschließlich Venture Capital mit einer eigenen Gesellschaft. Sowohl der High-Tech Gründerfonds als auch der Life Science Fonds Esslingen investierten in die Amedrix GmbH. In Esslingen ist man davon überzeugt, dass sich diese Investition für den Wirtschaftsstandort Esslingen auszahlt.

amedrix.de

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