Baumhäuser, die am Boden bleiben

Die Stuttgarter Firma Weidenprinz konstruiert mit Pflanzen lebendige Architektur

Auf Wachstum bauen, ist die Philosophie von Ferdinand Ludwig und Oliver Storz, den Gründern der Stuttgarter Firma Weidenprinz. Sie konstruieren Bauten, für deren Tragwerke lebende Pflanzen – idealerweise Weidenbäume – verwendet werden. Im Gegensatz zu anderen Baumaterialien, die im Laufe der Jahre oft an Stabilität verlieren, gewinnt eine Pflanze mit der Zeit an Kraft. In diesem Fall sind es Weidenbäume, die schnellwachsend, biegsam und sehr anpassungsfähig sind.

Auf Wachstum zu bauen, heißt allerdings auch, dass der Planer einen Teil seiner Gestaltungskompetenz an die Natur abgeben muss: der Baum baut weiter, und wie ein Bauwerk nach 10, 20 oder 30 Jahren aussehen wird, kann zwar prognostiziert, aber nie exakt vorhergesagt werden. Aktuelle Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Disziplinen schaffen hier eine Wissensbasis, die verlässliche Strukturen garantiert und sogar statisch berechnet werden können. Das Prinzip, nach dem der Baum weiterbaut, folgt klaren Regeln, erläutern die beiden Unternehmer: Bäume reagieren auf äußere Kräfte, und optimieren ständig ihre Form – genauso sind die aus ihnen gebildeten Tragwerke anpassungsfähige, sich in ihrer äußeren Form und inneren Struktur selbst optimierende Systeme, die sogar kleine Fehlstellen selbstständig reparieren können.

Die ersten Gehversuche, begehbare lebende Strukturen zu bauen, machten Ferdinand Ludwig und Oliver Storz noch als Studenten an der Universität Stuttgart mit einer 2004 realisierten Plattform: Zehn Bündelstützen aus Weidenruten tragen in zwei Metern Höhe eine Stahl-Holz-Konstruktion, die über eine Leiter erreichbar ist und bis zu zehn Personen Platz bietet. Die leuchtend orange gestrichenen Stahlteile heben sich dabei deutlich von den Pflanzen ab, sie bilden stilisiert die Form einer Krone nach – gebautes Logo der 2004 gegründeten „Verkaufsmarke“ Weidenprinz.

Zu den größten bislang realisierten lebenden Bauten gehört unter anderem ein Veranstaltungspavillion von acht Metern Durchmesser, der bis zu 50 Personen Platz bietet. Sechzehn gekreuzte Weiden-Bündelstützen tragen die Dachlasten und versteifen das Bauwerk. Diese Lebendkonstruktion trägt auf zwei Metern Höhe einen Stahlring, an den im Sommer ein Dach und Seitenwände aus imprägniertem Stoff gehängt werden. Kurz nachdem das „Gebäude“ fertiggestellt war, konnte es bereits genutzt werden und schon nach wenigen Monaten waren die Weiden üppig zusammengewachsen.

Alle ein bis zwei Jahre ist ein Baumschnitt nötig, um die Konstruktion vital und in Form zu halten. Durch diesen Schnitt und auch durch Verflechten des Austriebs kann der Pavillon individuell gestaltet werden. Bei richtiger Pflanzung und Pflege besitzt die Konstruktion eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten und mit ihr lässt sich auch auf Untergründen bauen, wo andere Verankerungen ökologisch nicht vertretbar wären. Die Bauweise ist äusserst ressourcenschonend. Sie produziert Sauerstoff und Biomasse.

Die Unternehmer von Weidenprinz kooperieren auch mit dem Institut Grundlagen Moderner Architektur der Universität Stuttgart. Sie wurden bei Ihrer Gründung von der Technologie Tranfer Initative (TTI) der Universität Stuttgart beraten.