Der Büstenhalter

Die Idee hatte er nicht als Erster. Bereits im Mittelalter gab es Kleidungsstücke, die dem heutigen Büstenhalter verblüffend ähnlich waren. Selbst die Antike kannte Vorrichtungen, deren Zweck es war, die weibliche Brust zu stützen.

Der Korsettfabrikant Sigmund Lindauer aus Bad Cannstatt hat aber für den globalen Siegeszug des BHs gesorgt, indem er erstmals einen Büstenhalter in Serie produzierte und international vermarktete. Um das Jahr 1912 ließ er sich den Brusthalter, der „ohne Versteifung auf der Haut zu tragen“ war, patentieren und läutete so den Niedergang des Korsetts ein. Für Millionen von Frauen war die Zeit der quälenden Einschnürung vorbei. Fortan kamen sie in den Genuss eines bequemen Kleidungsstücks aus elastischem Trikotgewebe, ohne lästige Längs- und Querstützen aus so rustikalen Materialien wie Stahl, Fischbein und Tierhorn.

Der Zeitgeist spielte dem frauenfreundlichen Kleidungsstück in die Hände. Mediziner und Frauenrechtlerinnen wetterten gleichermaßen gegen den einengenden Schnürpanzer. Um die Jahrhundertwende meldeten allein sieben Tüftler aus fünf Ländern unabhängig voneinander ein BH-ähnliches Gebilde zum Patent an.

Christine Hardt aus Dresden schusterte ein Gestell aus Taschentüchern und Männerhosenträgern zusammen, eine britische Variante kombinierte Draht und Seide. So kann der Siegeszug der rein textilen Lösung aus dem Hause Lindauer nicht verwundern. Werbesprüche mit Kultpotenzial trugen das Ihrige zum Erfolg bei. „Frauenschönheit ist Frauenmacht“ und „Bergauf, bergab, durch Wald und Feld / Hautana straff den Körper hält“ machten Lindauers Markennamen Hautana berühmt. So wurde Hautana zum Synonym für Büstenhalter wie Jahrzehnte später Tempo für Papiertaschentücher. In Böblingen, bis 1979 Produktionsort, war Hautana für einige Jahre sogar der größte Arbeitgeber.