Autofahrt 4.0

Das Start-up Blickshift analysiert Augenbewegungen für Software zum autonomen Fahren

© Blickshift GmbH Blickshift-Team
Das Team von Blickshift (von l. nach r.): Michael Raschke, Bernhard Schmitz, Mentor Thomas Ertl und Michael Wörner.

Die drei Gründer von Blickshift möchten das autonome Fahren vorantreiben. Bei diesem Vorhaben wird die Ausgründung der Universität Stuttgart unter anderem durch das Gründerförderprogramm „Startup Autobahn“ unterstützt.

Schmelztiegel für Start-ups

Wer durch das Foyer des Innovationscampus CODE_N am Stuttgarter Fasanenhof streift, fühlt sich wie in einer modernen Kunstgalerie. Designermöbel, stylische Lampen und ständig wechselnde Gemälde zieren die Wände. Im 4. Stock schwingt die Kunstrichtung dann in Pop Art um: quietschbunte Farben, Büroräume mit Pappkartonwänden, ein Tischfußballkicker und eine gemütliche Sofaecke mit Kühlschrank springen ins Auge. Dieser Stock ist für Coworking bestimmt und beheimatet mehrere Startups. Eines davon ist Blickshift, eine Ausgründung des Instituts für Visualisierung und Interaktive Systeme (VIS) der Universität Stuttgart. Auf Eye-Tracking-Technologie hat sich das Tüftler-Trio spezialisiert. Ihr erstes Produkt Blickshift Analytics wertet Augenbewegungen zusammen mit Fahrzeugdaten aus und analysiert mithilfe der gewonnenen Daten die visuelle Wahrnehmung im Straßenverkehr. Dabei nutzt das Start-up Eye-Tracking und Big Data Analytics. Auch in der Marktforschung und für die Wissenschaft liegen die vielseitigen Anwendungsgebiete der Software. Interesse an diesen Daten haben vor allem Firmen aus der Automobilbranche, Zulieferer und Marktforschung. Die Gründer Michael Raschke, Bernhard Schmitz und Michael Wörner lernten sich an der Universität Stuttgart als Doktoranden kennen. „Gerade für Ausgründungen aus der Universität ist es wichtig, irgendwann den Campus zu verlassen. Wir konnten uns durch den räumlichen Wechsel zu Code_N weiterentwickeln und zu einem richtigen Unternehmen wachsen“, erklärt Raschke. Zusätzlich bot Code_N dem Start-up viel Hilfestellung an, zum Bespiel bei der Namensfindung oder beim Marketing.

Von der Idee zum Unternehmen

Michael Raschke hatte zunächst während seines Physikstudiums an anderen Projekten geforscht und Programme geschrieben, etwa für einen malenden Roboter. Als er bei mehreren Präsentationen sein Projekt vorstellte, kam sein Talent zum Vorschein, andere Menschen von seinen Ideen zu überzeugen und den Nerv der Zeit zu treffen. „Ich wollte mich schon immer selbstständig machen“, erinnert er sich. Jedoch wollte Raschke den Schritt in die Selbstständigkeit nicht ohne Partner machen. Seit 2014 arbeiten die drei Unternehmer gemeinsam und haben neben Erfolgserlebnissen auch Rückschläge eingesteckt. Zunächst mussten sie einen Business Plan erstellen, Expertise sammeln und dann schauen, welches Geschäftsmodell den Vorstellungen der drei Männer entspricht. Heraus kam die Idee zu der Software für Eye-Tracking-Analysen. Im nächsten Schritt musste ein Exist-Gründerstipendium beantragt werden. „Das wichtigste bei der Gründung eines Start-ups ist Vertrauen. Wir wussten, dass wir ähnliche Vorstellungen und Ziele haben.“ Der erste Dämpfer kam im März 2015, als das Stipendium nicht gleich bewilligt wurde.

An Rückschlägen wachsen

Das Team musste sich nochmal zusammensetzen und überlegen, wie sehr sie an ihrem Projekt hängen und ob sie auch ohne Fördermittel weitermachen möchten. „Wir haben uns einen Tag Zeit genommen, um die Entscheidung zu überdenken. Am nächsten Tag kamen wir alle zu demselben Entschluss: Wir wollen weiter machen“. Michael Raschke und seine Kollegen haben ihr Konzept nochmal überdacht und umgewälzt, bis im Juni 2015 das Exist Gründerstipendium mit 140.000 Euro bewilligt wurde. Wenige Monate später kam die Zusage von Code_N. Im August 2016 konnte die Blickshift GmbH gegründet werden. Zu den ersten Beta-Kunden zählte das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. Seit Juni 2016 wird die Gründung vom Jungen-Innovatoren-Programm des Landes Baden-Württemberg unterstützt. Eine der spannendsten Möglichkeiten war jedoch ein Pitch im Silicon Valley in Kalifornien Ende 2016 während einer von der Landeswirtschaftsförderung bw-i organisierten Reise. In der gleichen Zeit nahm Blickshift am Startup-Autobahn-Programmteil – ein Gemeinschaftsprojekt der Daimler AG, des Plug and Play Tech Center, der Universität Stuttgart und der Arena 2036. Dreizehn Start-ups haben das Rennen gemacht, darunter auch Blickshift als einziges Start-up aus Baden-Württemberg.

Produkte auf Kunden maßschneidern

Heute zählt die junge Firma über 400 Vertriebskontakte und zahlreiche Aufträge in Aussicht. „Man muss aufpassen nicht am Markt vorbei zu entwickeln und sich kontinuierlich weiterentwickeln. Das rate ich auch allen Start-up-Unternehmern, es lohnt sich am Ball zu bleiben und Kritik einstecken zu können“, findet Raschke. Wichtig sei auch der direkte Kontakt zu den Kunden. „Es ist immer besser, direkt anzurufen als E-Mails zu schreiben“. Jeder Kunde des Start-ups hat einen direkten Ansprechpartner, der seine Wünsche entgegennimmt und kann zwischen flexiblen Lizenzmodellen wählen. Die Produktpalette erstreckt sich von einer Software zur Aufnahme von Augenbewegungen, über einen Experimentdesigner bis hin zur Analysesoftware. Michael Raschke ist zuversichtlich, dass sein Produkt dauerhaft Platz am Markt findet: „Die Analyse des Autofahrerverhaltens wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Wir sind sehr optimistisch, dass wir in den kommenden Jahren einen steigenden Absatz unserer Produkte sehen werden.“

blickshift.com