Das Faltengift

Spritze (Foto: Felix Pergande/Fotolia.com)
Spritze (Foto: Felix Pergande/Fotolia.com)

Botulinumtoxin ist eines der stärksten bekannten Gifte: Bereits zehn Millionstel Gramm sind tödlich. Produziert wird die Substanz von Bakterien, die in unserer Umwelt allgegenwärtig sind und sich auf verdorbenem Fleisch und in schlecht erhitzten Konserven schnell vermehren. Gefürchtet war Botulinumtoxin daher früher als Auslöser der lebensbedrohlichen Fleischvergiftung, dem Botulismus.

Wissenschaftlich untersucht wurden die Krankheit und ihre Ursache erstmals Anfang des 19. Jahrhunderts von Justinus Kerner aus Ludwigsburg. Der schwäbische Arzt und Dichter erkannte als Erster den Zusammenhang zwischen Fällen schwerer Nervenlähmung und verdorbener Wurst. 1820 beschrieb er die Wirkung der von ihm „Fettgift“ genannten Substanz: Botulinumtoxin hemmt die Signalübertragung der Nerven und lähmt so die Muskeln bis zum Totalausfall.

„Allein die Dosis macht“s, dass ein Ding kein Gift sei“, wusste schon Paracelsus. Und so schlug Justinus Kerner in seinem „Beytrag zur Untersuchung des in verdorbenen Würsten giftig wirkenden Stoffes“ das Fettgift in extrem niedrigen Dosen als Arznei gegen Nervenleiden vor. Bis es so weit war, brauchte es allerdings noch eine ganze Weile: Erst seit den 1980er-Jahren wird Botulinumtoxin medizinisch eingesetzt, bei krampfartigen Bewegungsstörungen etwa oder gegen Migräne. Zum echten Star wurde das Gammelgift als Faltengift in der Kosmetik: Von der Lähmung kleinster Gesichtsmuskeln mittels Botox-Spritze erhoffen sich heute Millionen von Menschen die ewige Jugend.