Zusammenhalt bis 370 Grad

Die Amann GmbH aus Bönnigheim gehört zu den größten Herstellern von Näh-, Stick- und Spezialgarnen weltweit

© Amann GmbH

Was haben Autositze und Abendkleider, Markisen und Mokassins, Feuerwehrbekleidung und Fallschirme gemeinsam? Ohne den entsprechenden Faden halten sie nicht zusammen. Mit haushaltsüblichem Nähgarn haben viele der hochspezialisierten Garne der Amann GmbH aus Bönnigheim allerdings nur am Rande zu tun. Spezialgarne müssen eine Menge aushalten und haben sich zu wahren Hightech-Produkten entwickelt.

Das global agierende Unternehmen aus der Region Stuttgart gehört zu den weltgrößten Herstellern von Näh- und Stickgarnen. Über eine Million Kilometer Faden stellt das 1854 von Alois Amann und Imanuel Böhringer gegründete Traditionsunternehmen täglich her. In modernsten Produktionsstätten wickeln Spezialaggregate vollautomatisch die kompletten Produktionsprozesse ab – von der Zwirnerei über Färberei, Ausrüstung bis zur Endaufmachung.

Synthetische Fasern spielen die Hauptrolle, wenn es um belastbare Nähte geht. Amann bezieht die Rohstoffe von anderen Herstellern, um sie dann in seinen eigenen Produkten zu veredeln und zu verarbeiten. Die sogenannten Filamente werden in mehreren Arbeitsschritten gezwirnt, gefärbt und erhalten die jeweils gewünschte technische Ausrüstung. Das Sortiment ist breit gefächert, da die geforderten Eigenschaften des Garns von der Funktion des Produkts abhängig sind, bei dem es eingesetzt wird.

Von der Autoindustrie bis zur Zierstickerei

Spezialfäden für Hitze- und Brandschutzbekleidung eines Stahlwerkers, Feuerwehrmanns oder Formel-1-Piloten etwa sind wahre Wunderwerke.
Hergestellt aus Spezialfasern sind sie nicht oder nur schwer entflammbar und halten Temperaturen bis zu 370 Grad Celsius aus. Nähfäden für technische Anforderungen hingegen müssen beispielsweise UV-Strahlung aushalten, chemikalienbeständig oder mechanisch äußerst belastbar sein. Garne für
Reinraum- oder Schutzkleidung im Bereich Mikroelektronik müssen elektrische Ladung ableiten oder dürfen statische Ladung erst gar nicht aufkommen lassen. Nähte an Planen, Zelten und Polstermöbeln hingegen müssen wasserabweisend und stark belastbar sein. Das Gleiche gilt für Trekking- und Sportschuhe, Polstermöbel, Fallschirme, Filter oder für technische Artikel.
Dagegen sind bei Trikotagen, Strick- und Badebekleidung weiche, bauschige Fäden gefragt.

Viele textile Markenprodukte setzen gestickte Logos ein. Hier sind feinste Garne gefragt, die Details und kleine Schriften ermöglichen, sich gut verarbeiten lassen und dazu ein breites Farbenspektrum bieten. "Wir haben sehr viele große Markenkonfektionäre als langjährige Kunden", berichtet Geschäftsleiter Bodo Th. Bölzle. "Allein mit der Firma Hugo Boss arbeiten wir seit 60 Jahren zusammen."

Systemanwendungen im Automobilbereich stellen besonders hohe Anforderungen an Materialien und Prozesse. "Wir entwickeln und produzieren in enger Zusammenarbeit mit unseren automobilen Kunden technologisch hochentwickelte Nähgarne für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche", sagt Bölzle. In der Automobilindustrie genießt Amann aufgrund der außergewöhnlich hohen Produktqualität eine exzellente Reputation, die Automobilbauer von Porsche über BMW bis Mercedes zu schätzen wissen.

Zudem beweist das Unternehmen auch Stärke in Forschung- und Entwicklung und unterhält eigene Labore für Textil- und Nähtechnik. In der Abteilung für Nähtechnik etwa werden Produktionschargen auf die geforderten Eigenschaften getestet und kundenspezifische Nähtests durchgeführt. "Das ist für uns ein entscheidender Wettbewerbsvorteil", erläutert Bölzle, "und unterscheidet Amann von seinen Mitbewerbern. Unsere Mitarbeiter prüfen bereits im Vorfeld, wie sich neue Garne und Materialien miteinander vertragen oder unterstützen Firmen, wenn nähtechnische Probleme auftreten."

Die fertigen Garne sind in unterschiedlichsten Spulenformaten und -größen erhältlich. Das reicht von 40 Metern für den Hausbedarf bis zu 50.000 Metern für industrielles Nähen. Immerhin werden bei der Herstellung einer Hose bis zu 350 Meter Garn benötigt. Selbst bei einem Schuh entspricht der Fadenbedarf einer Länge von 20 Metern.

Ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit

1.350 Mitarbeiter arbeiten für die Amann Group, die ihre Produkte in über 100 Ländern vertreibt und über Tochterunternehmen sowie Beteiligungsgesellschaften unter anderem in Europa, USA, China und Indien verfügt. "Unser Erfolg liegt in unserer jahrzehntelangen Erfahrung gepaart mit der Zusammenarbeit unserer Kunden, aber auch darin, dass wir uns auf unsere Kernkompetenz, die Garnherstellung konzentrieren – nur so können wir an der Spitze bleiben", fasst Bölzle die Strategie des erfolgreichen Traditionsunternehmens zusammen. Um die langfristige Unternehmensnachfolge der Amann Group zu sichern, ist seit 2005 eine Stiftung deren Gesellschafterin. Diese fördert auch Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung sowie Bildung und Erziehung.

Auch das wachsende Umweltbewusstsein spielt bei Amann eine Rolle. So wurde im vergangenen Jahr unter der Marke "Lifecycle Threads" Nähgarn aus wiederverwertetem Polyester und biologisch angebauter Baumwolle in den Markt eingeführt. Daneben werden in Testreihen auch weitere natürlich nachwachsende Rohstoffe und daraus gewonnene Biopolymere auf ihre Möglichkeiten untersucht. Und wer sein Mineralwasser aus Pfandflaschen trinkt, trägt den Behälter womöglich bald wieder bei sich: Auch aus geschredderten PET-Flaschen werden bei Amann neue Fäden gewonnen.