Eine Erfindung mit Hand und Fuß

Klaus-Peter Beer hat eine Strumpf-Anziehhilfe entwickelt, um Menschen zu helfen, die in ihrer Bewegungsmotorik eingeschränkt sind

© WRS / Astrid Schlupp-Melchinger Klaus-Peter Beer hat eine Strumpf-Anziehhilfe entwickelt, um Menschen zu helfen, die in ihrer Bewegungsmotorik eingeschränkt sind (Foto: WRS/Schlupp-Melchinger)
Klaus-Peter Beer hat eine Strumpf-Anziehhilfe entwickelt, um Menschen zu helfen, die in ihrer Bewegungsmotorik eingeschränkt sind (Foto: WRS/Schlupp-Melchinger)

Manchmal bringt ein Unfall auch Gutes hervor. Klaus-Peter Beer kam vor einigen Jahren nach einem schweren Fahrradunfall in eine Rehaklinik. Dort merkte er am eigenen Leib, wie schwer jede Bewegung ist, die im gesunden Zustand leicht fällt. „Vor allem das Anziehen der Strümpfe stellte sich als besonderes Problem heraus“, erzählt Beer. Er beobachtete, dass andere Patienten oft lange warten mussten, bis die vielbeschäftigten Schwestern Zeit hatten und so beschloss der ehemalige Sport- und Deutschlehrer, der zuletzt an der Schule in Urbach tätig war, selbst zu tüfteln. Zwar gibt es auf dem Markt bereits Anziehhilfen, doch diese erschienen Beer zu kompliziert. Vorletztes Jahr war es dann endlich soweit. Nach vielem Herumprobieren hatte er eine Lösung gefunden, die ihn zufriedenstellte.

Einfaches Prinzip

Die Bedienung seiner Anziehhilfe, die den bezeichnenden Namen „Hand+Fuß“ trägt, ist so einfach, wie sie sein soll. Auf einem flachen Unterteil aus Bambus ist ein gebogenes Metallgestell angebracht, das sich im 90-Grad-Winkel nach oben klappen lässt. „Darüber wird dann die auf links gedrehte Socke gestülpt und wieder heruntergeklappt“, erläutert Beer. Wenn der Patient danach seinen Fuß durch das Gestell wie in einen Hauspantoffel schiebt, rollt sich der Stoff an Fuß und Bein nach oben. „So einfach ist das“, lacht Beer. Die praktische Hilfe funktioniert auch bei Bandagen.

Zum Patent angemeldet

Seine Idee hat er bereits zum Patent angemeldet und auch der Antrag für die Einstufung der Anziehhilfe als medizinisches Hilfsmittel, das vom Arzt verschrieben werden kann, ist eingereicht. Dennoch bezahlen die Krankenkassen das Gerät noch nicht. Rund 100 Euro kostet jedes Stück. „Die Investition ist überschaubar“, findet Klaus-Peter Beer. Abgesehen davon, dass sich Patienten auch ohne Pflegedienst selbstständig Kompressionsstrümpfe oder normale Socken anziehen können, ist die Hilfe auch für Verbände am Arm zu verwenden. Zudem funktioniert das praktische Teil bei Bandagen. „Ich bekomme immer wieder Post von Leuten, die sich bei mir bedanken“, erzählt Beer. „Das ist schönste Bestätigung, die ich bekommen kann.“ Das motoviert ihn, um seine Erfindung weiterhin vor allem in Kliniken vorzustellen. Auch Menschen, die seine Anziehhilfe bislang nicht benötigen, hat Beer überzeugt. Beim diesjährigen Gründerpreis der Kreissparkasse Waiblingen beeindruckte er mit seiner Vorstellung, gewann das Zuschauervotum und 2.000 Euro dazu.

Mit Zutaten aus der Region

Nicht nur das erste „Hand und Fuß“-Modell entstand in Eigenarbeit. In einer kleinen Werkstatt auf dem Schock-Areal in Schorndorf fertigt er sein Produkt aus zugelieferten Teilen. „Anfangs habe ich mich auch bei Zulieferern in China umgesehen“, erzählt er. „Aber die Qualität hat nicht gestimmt. Und nun kommen alle Einzelteile hier aus der Region.“ Die Holzplatte sägt ein Schreiner aus Haubersbronn, geölt wird es in den Werkstätten der Diakonie Stetten im Remstal und die Verchromung besorgt eine Firma aus dem nahen Urbach. „auf meine Zulieferer ist Verlass“, stellt er zufrieden fest. Und auch die Käufer werden immer mehr. Einige hundert Stück hat er bereits abgesetzt.

Erweiterte Produktpalette

Mittlerweile hat Beer seine Produktpalette erweitert. Mitarbeiter von mobilen Pflegediensten, die seine Erfindung gerne einsetzen, regten ihn dazu an, auch eine Adaption für liegende Patienten anzufertigen. Ein weiteres Produkt ergab sich bei Beers Besuchen in Rehakliniken. „Dort wurde ich mit vielen Menschen konfrontiert, die nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt sind. Mit einer Hand kommt man bei dem Ursprungsgerät nicht weit.“ Also machte er sich wieder an die Arbeit und konstruierte das Gerät so um, dass sich Socken und Strümpfe auch einhändig anziehen lassen. Diese neue Facette hilft auch vielen älteren Menschen, die eigene Angehörige pflegen, aber nicht mehr die Kraft haben, täglich Kompressionsstrümpfe zu wechseln – regelrechte Schwerstarbeit, wenn man nicht fit ist. Mittlerweile hat er das erste Modell um eine weitere Variante ergänzt. Eine mobile Version gibt es auch mit zwei Haken an dem Käfig, damit ist es möglich, den Strumpf auch mit einer Hand aufzuspannen. „Ob links oder rechts spielt dabei keine Rolle“, erklärt Beer. Fast täglich bekommt er Post von Menschen, die sich bei ihm bedanken, weil sie mit der Anziehhilfe wieder selbständiger seien, berichtet er. „Meine größte Freude ist, wenn ich den Leuten helfen kann“, sagt Klaus-Peter Beer.

Die Höhle der Löwen

Sein bislang größter Erfolg war vor kurzem sein Auftritt in der „Höhle der Löwen“. In der Show des Senders VOX stellen Existenzgründer ihre Idee vor und versuchen mehrere Kapitalgeber zu überzeugen, in das Geschäft einzusteigen. Fünf Sterne vergaben die Juroren – mehr geht nicht – und zeigten sich begeistert. Dennoch lehnte Beer das Angebot eines Investoren ab, weil es ihm nicht attraktiv genug schien. „Macht nichts“, meint Beer, „das schaffe ich auch so. Die Leute rennen mir schon jetzt die Bude ein.“

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