Die Raumerfinder

Das Stuttgarter Designbüro Ippolito Fleitz gestaltet mit großem Erfolg Räume in aller Welt - von Hamburg bis Usbekistan

© Zooey Braun
Forum in Taschkent, Usebekistan (Foto: Ippolito Fleitz)

Erfolgreiche Jäger werden nach der Anzahl der Sechzehnender beurteilt und schmücken ihre Wände mit Hirsch und Co. Erfolgreiche Designer werden an Nominierungen und internationalen Preisen gemessen. Im Eingangsbereich des Designbüros Ippolito Fleitz hängen sie wie Trophäen an der Wand. Während Architekten, Innenraumgestalter oder Produktdesigner meist in ihrem abgeschlossenen Bereich werkeln, fasst das Stuttgarter Unternehmen die Raumgestaltung im Großen wie im Kleinen unter einem Dach zusammen. Mit diesem Konzept ist das ehemals kleine Designbüro der Architekten Peter Ippolito und Gunter Fleitz innerhalb weniger Jahre zu einem Global Player aufgestiegen, der mit rund 40 Mitarbeitern, die aus verschiedenen kreativen Berufen kommen, ständig neue Räume erfindet.

Direkt nach dem Studium haben sie 1998 angefangen. Ursprünglich waren sie zu viert. Das Vorgängerbüro nannte sich Zipherspaceworks. Seit 2002 arbeiten Fleitz und Ippolito unter ihrem eigenen Namen. "Wir genießen selbst die Vielfalt, die uns unsere Arbeit jeden Tag bietet", sagt Peter Ippolito. Auch die Zielgruppen und Aufgaben könnten nicht unterschiedlicher sein. Sie reichen vom Produktdesign bis zum Penthouse, von der Systemgastronomie bis zum Edelrestaurant, von der Zahnarztpraxis bis zu Büroräumen, von Corporate Identity bis hin zu Projekten in völlig anderen Kulturkreisen. "Mit prominenten Projekten haben wir einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Dennoch generieren wir viele Aufträge über Mundpropaganda – letztlich die erfolgreichste Form der Werbung", erzählt Peter Ippolito.

Raumbilder und Atmosphäre schaffen

Dem Hähnchenbrater Wienerwald, einst mit Raffgardinchen und verschnörkelter Eiche eine Art deutsche Version von MacDonald"s, wurde ein völlig neuer Look verpasst, um das neue Gastronomie- und Markenkonzept des Unternehmens in Farbe und Form zu übersetzen. Der Pionier des deutschen Fast Food wollte die frische Abwechslung auf dem Teller auch in der Einrichtung deutlich machen. "Der Raum ist klar strukturiert. Holz, Leder und Textil sowie die Farbauswahl greifen die Aspekte Frische und Natürlichkeit auf. Weiß und helle Grüntöne herrschen vor. Als Akzentfarbe kommt Gold zum Einsatz", erläutert Ippolito die Gestaltungsidee. "Es geht immer darum, Inhalte spannend umzusetzen, Atmosphären entstehen zu lassen, Raumbilder zu schaffen, die einer Dramaturgie folgen."

So werden Zahnarztpraxen, die Ippolito Fleitz gestaltet hat, zu Räumen, die sich als Mischung aus luxuriösem Privatambiente und repräsentativer Kunstgalerie präsentieren. Fleitz und Ippolito bezeichnen sich selbst als Identity Architects. "Alles muss aus einem Guss sein und die Identität des Auftraggebers oder der Marke widerspiegeln", fasst Peter Ippolito den eigenen Anspruch zusammen. Auf die Ideen der Stuttgarter Designer und ihres kreativen Teams vertrauen neben internationalen Luxushotels und Resorts auch die größte russische Kaffeebar-Kette ebenso wie das Restaurant nebenan, etwa das "Bella Italia" im Stuttgarter Westen, das Weinladen und Restaurant zugleich ist.

Kommunikation im Raum

Nach dem Umzug in größere Räume sollte der besondere Charme des Lokals, eines kleinen wohnzimmerartigen Raums, erhalten bleiben. Ein traditioneller Holzfußboden und klassische, aber bunte Küchenstühle stehen im Kontrast zu modernen Einbauten sowie klaren Linien und zurückhaltenden Farben. Eine besonders gelungene Gestaltungsidee sind zahlreiche Spiegel unterschiedlichster Stile und Größen, die nicht etwa an den Wänden hängen, sondern an der Decke platziert wurden.

Kommunikation im Raum nennen Fachleute das, was das Stuttgarter Designbüro macht. Die Ippolito Fleitz Group gehört mit weiteren Agenturen aus der Region Stuttgart seit Jahren zu den Top Ten der Innenraumgestalter. In Stuttgart hat sie auch der Trattoria San Loretta, dem Restaurant Mezzogiorno dem Club MASH im Bosch-Areal sowie der Bar FouFou ein neues Gesicht gegeben. Die angesagte Bar bespielt vier Salons auf drei Ebenen und kokettiert in der Gestaltung mit dem angrenzenden Rotlichtviertel – Pink, Rot, Gold, Plüsch und Samt werden mit puristischem Schwarz und ausgefallenen Einzelobjekten kombiniert.

Keine Angst vor historischen Gebäuden

Als das Stuttgarter Büro sogar die von Designer-Ikone Verner Panton entworfene Kantine des Hamburger Spiegel neu entwerfen durfte, orientierten sich die Gestalter nicht am Vorbild, sondern überführten es in eine zeitgemäße Formen- und Farbensprache – so viel Orange wie Ende der sechziger Jahre hält heute keine Mensch mehr aus. Nicht nur dort, wo gegessen wird, will man angenehm sitzen. Auch Büros sollen gut aussehen und die Arbeit angenehmer machen. Die neuen Räume des international tätigen Ingenieurbüros Schlaich Bergermann und Partner aus Stuttgart wurde in eine ästhetische Welt verwandelt, die Präzision und technische Konnotation des Ingenieurberufs zitiert, aber durch warme Materialien und kommunikative Zonen mit unterschiedlichen Atmosphären zu einem Ort wird, an dem man sich wohlfühlt.

Vor drei Jahren eröffnete der ADAC am Stuttgarter Neckartor eine neue Filiale, die Ippolito Fleitz mit einer völlig neuen Corporate Architecture entwickelt hat. Auch das erst kürzlich wiedereröffnete Rathaus in Schorndorf geht auf das Konto der Stuttgarter Identitätsarchitekten. Außen ist das Gebäude ganz Historie. Innen überrascht es als modernes und geradliniges Zentrum der Stadt, das mit den Grundfarben Braun, Weiß und Schwarz die Grundtöne des geschichtsträchtigen Hauses aufnimmt.

Unterwegs in anderen Welten

Die Mitarbeiter des Stuttgarter Unternehmens sind oft außerhalb der Region unterwegs, etwa in China und Korea, wo Ippolito Fleitz einen Partner vor Ort platziert hat. "Auf diese Weise bleiben wir präsent und sind jederzeit ansprechbar," unterstreichen die Geschäftsführer die Vorteile dieser Konstruktion. Webseiten in der jeweiligen Landessprache bieten den ersten Brückenschlag und erleichtern neuen Kunden einen Einblick in die Philosophie der Stuttgarter Designer.

Die Geschäftsführer verweisen darauf, dass "wir kontinuierlich gewachsen" sind." Ein Meilenstein in der Firmengeschichte sei allerdings der Auftrag gewesen, die riesigen Innenräume des Internationalen Forums in Usbekistan zu gestalten, gibt Ippolito zu. "Nicht allein vom Auftragsvolumen, auch was die Organisation und die Logistik betrifft." In einem knappen halben Jahr mussten Mensch und Material vor Ort sein. Der an einen Palast erinnernde Bau steht mitten im Zentrum Taschkents. Das wichtigste Repräsentationsgebäude des Landes ist angelegt als Plattform für Staatsakte, Kongresse, Konferenzen und kulturelle Höhepunkte. "Hier haben wir die komplette Innenarchitektur komponiert, in Anlehnung an traditionelle Motive, die wir neu umgesetzt haben – das kam sehr gut an und war ein regelrechter Türöffner für den riesigen Markt der GUS-Staaten", so Ippolito.

Ohne Berührungsängste an neue Projekte

Die Gestaltungsidee steht am Anfang und entwickelt sich aus dem, was den Kunden widerspiegelt. Dennoch ist ein unverwechselbarer Stil zu erkennen, den das Designbüro pflegt . Das Spannende am Gestalten sei es keine Berührungsängste zu haben. "Wir sind jedes Mal wieder neugierig", erklärt Ippolito.

Und was steht derzeit an? "In Aserbaidschan gestalten wir gerade die öffentlichen Bereiche eines Geschäftshochhauses sowie ein Restaurant und eine Bank." Für Drees&Sommer in Stuttgart sowie Procter&Gamble in Frankfurt entwickelt Ippolito Fleitz neue Arbeitswelten. In New York entsteht momentan ein erster Adidas-SLVR-Store nach Stuttgarter Konzept, "und in Stuttgart füllt sich langsam die Baugrube für die Gerber-Shoppingmall, bei der wir für die Innenbereiche und das Leitsystem verantwortlich zeichnen." Es gibt genug zu tun.

In eigener Sache: Ippolito Fleitz hat den beim communikation design award 2011 prämierten und für den Designpreis Deutschland 2012 nominierten Expo Real Stand der Region Stuttgart gestaltet.