„Dein Leben, das ist ein Schweben“

Seit einem dreiviertel Jahrhundert verwirklicht Schempp-Hirth aus Kirchheim unter Teck Fliegerträume

© Schempp-Hirth Flugzeug-Vertriebs-GmbH

Die von Martin Schempp in Göppingen gegründete Schempp-Hirth Flugzeug-Vertriebs GmbH ist einer der ältesten und traditionsreichsten Flugzeugbauer der Welt. Zukunftsorientierte Konstruktionen, hohe Qualität, umfassendes Know-how in der Verarbeitung von Faserverbund-Werkstoffen und motivierte Mitarbeiter machen Schempp-Hirth bis heute zu einem der führenden Entwicklungs- und Herstellungsbetriebe von Segelflugzeugen und Motorseglern – und zum Inbegriff sportlicher Höchstleistung. Seit 1935 wurden bei Schempp-Hirth über 5.000 Flugzeuge gebaut.

Segelflugliebhaber auf der ganzen Welt verbinden mit dem Namen Schempp-Hirth nicht nur einen der erfolgreichsten Hersteller von Segelflugzeugen. Sie denken vor allem auch an den Beitrag von Martin Schempp und Wolf Hirth zur Luftfahrtgeschichte als Konstrukteure von Legenden wie des "Gö-1 Wolf", der "Gö-3 Minimoa" und des
"Nimbus 4", die ab 1935 zuerst in Göppingen und ab 1938 in Kirchheim unter Teck gebaut wurden. Von ihrer Qualität zeugen 26 gewonnene Weltmeisterschaften – 40 Prozent aller bisher vergebenen Titel bei Segelflugweltmeisterschaften.

Von Charles Lindbergh beflügelt

Als Charles Lindbergh auf seinen Vortragsreisen durch die USA in den Jahren 1927 und 1928 über seien Atlantikflug berichtete, war der 1905 in Stuttgart geborene Martin Schempp unter den begeisterten Zuhörern. Er war 1926 in der Hoffnung auf bessere Arbeitsbedingungen ausgewandert. Mit der Begegnung mit Lindbergh begann seine Leidenschaft für die Fliegerei. 1928 kehrte er vorübergehend nach Deutschland zurück, um hier das Fliegen zu lernen. Während seiner Grundausbildung für den Erwerb der Motorflug-Pilotenlizenz in Böblingen lernte er den Stuttgarter Industriellensohn Wolf Hirth kennen, der sich in Fliegerkreisen als Ingenieur und Segelflug-Pionier bereits einen Namen gemacht hatte. Zurück in den USA, arbeitete Schempp zunächst als Fluglehrer, später als Konstrukteur. Nach seinem insgesamt achtjährigen USA-Aufenthalt zog es ihn 1934 wieder in die Heimat.

Mit Unterstützung von Wolf Hirth gründete Martin Schempp 1935 den "Sportflugzeugbau Göppingen Martin Schempp", den er 1938 nach Kirchheim unter Teck verlegte. Wolf Hirth wurde Teilhaber. Während der Kriegsjahre, in denen Schempp und Hirth gezwungen wurden, auch Flugzeuge für die Luftwaffe zu bauen, beschäftigten sie über 300 Mitarbeiter. "Die Zeit nach Kriegsende bis 1955 wurde mit der Anfertigung von Sperrholzkoffern, Beinprothesen und Möbeln überbrückt", sagt Bernd Weber, Vertriebsmitarbeiter bei Schempp-Hirth. Nach dem tragischen Tod Wolf Hirths, der im Jahr 1959 während eines Fluges einen Herzinfarkt erlitt und abstürzte, widmete sich Martin Schempp wieder der Herstellung von Segelflugzeugen. Mit der "SHK", die bei den Weltmeisterschaften 1965 in South Cerney in England auf den dritten Platz flog, gelang es ihm auf Anhieb, auf dem Weltmarkt wieder Fuß zu fassen.

Technologiewandel und kaufmännisches Genie bringen den Aufschwung

Unter der Leitung von Klaus Holighaus, der mit dem Erstflug seines "Cirrus" im Jahr 1967 einen gelungenen Einstand als Konstrukteur in Kirchheim feierte, vollzog Schempp-Hirth den Technologiewandel "vom Holz zur Glasfaser". Martin Schempp ließ Klaus Holighaus vollkommene Freiheit, wofür der sich mit den Welterfolgen der allesamt in glasfaserverstärktem Kunststoff hergestellten Modelle "Cirrus", "Nimbus", "Standard Cirrus", "Janus" und "Discus" bedankte. "Durch den Faserverbund-Werkstoff verlängerte sich die Lebensdauer der Segelflugzeuge deutlich auf bis zu 12 000 Stunden, sagt Bernd Weber. Klaus Holighaus sicherte den geschäftlichen Erfolg und die Arbeitsplätze in Kirchheim. "Holighaus verstand es wie kein Anderer in der internationalen Segelflugzeugszene, den kaufmännischen Aspekt bei der Entwicklung und Vermarktung seiner Produkte im Auge zu behalten", sagt Bernd Weber. "So war es nur folgerichtig, dass er 1972 neuer Geschäftsführer und 1977 neuer Eigentümer wurde." Martin Schempp, für den die Zeile "Dein Leben, das ist ein Schweben" (aus Hans Albers" Fliegerlied "Flieger, grüß mir die Sonne") gemacht schien, starb 1984 – nicht bei einem Absturz, sondern nach schwerer Krankheit im Bett.

Unter Klaus Holighaus wurden in Kirchheim Hochleistungsflugzeuge in großen Stückzahlen gebaut. Nachdem er im Jahr 2004 bei einem Flug in den Schweizer Alpen verunglückte, übernahm sein Sohn Tilo die Leitung des Vorzeigebetriebs, der heute etwa 100 Mitarbeiter beschäftigt. "Als erster Unternehmer hatte Martin Schempp den Mut, Segelflugzeuge in größeren Serien mit einem günstigen Preis-Leistungsverhältnis aufzulegen, womit er entscheidend dazu beitrug, dass die Segelfliegerei zum Volkssport werden konnte", sagt Bernd Weber. "Von der ,Gö-1 Wolf" von 1935 bis zu den modernen Kunststoffkonstruktionen ,Nimbus", ,Ventus", ,Discus" und ,Arcus" wurden alle Typen zu Erfolgen, bis heute wurden über 5.000 Flugzeuge gebaut."

Heute bezahlen Hobbyflieger zwischen 40.000 Euro für ein Segelflugzeug der einfachsten Kategorie wie den "Discus-CS" und 170.000 Euro für die Luxusvariante "Nimbus-4DM" – ohne Turbo-Hilfsantrieb, Rückholmotor und Mehrwertsteuer versteht sich. Wer soviel investiert, bekommt dafür ein langlebiges und wertbeständiges Produkt, an dem hoch qualifizierte Schempp-Hirth-Mitarbeiter das meiste in Handarbeit und mit Liebe zum Detail herstellten.

Den jüngsten Coup landete Schempp-Hirth mit dem komplett neu entwickelten zweisitzigen Hochleistungssegelflugzeug ,Arcus" mit einer Spannweite von 20 Metern, das auf der Aero Friedrichshafen im April 2009 vorgestellt wurde und auf Anhieb Ende Mai bei der Deutschen Segelflug-Meisterschaft in Aalen den Meistertitel in der 20 Meter Doppelsitzerklasse gewinnen konnte.

http://www.schempp-hirth.com