Brennendes Finanzamt – in H0

Vollmer GmbH & Co. KG aus Stuttgart: Seit über 65 Jahren Erfolg mit Modellbahnzubehör und Gebäudebausätzen

Vollmer GmbH & Co. KG aus Stuttgart: Seit über 65 Jahren Erfolg mit Modellbahnzubehör und Gebäudebausätzen (Foto: Vollmer)

Einer der ältesten und renommiertesten europäischen Hersteller von Modellbausätzen, die Vollmer GmbH & Co. KG aus Stuttgart, hat dieser Tage viel zu tun. Häuser, Kirchen, Bahnhöfe und Brücken haben in der kälteren Jahreszeit Konjunktur. Das Sortiment umfasst aktuell rund 1.000 Artikel für die Freunde von Modelleisenbahnen der Spurgrößen H0, N, Z und G, darunter auch 500-teilige Bausätze. Was vor über 65 Jahren mit der Produktion von Kragenknöpfen begann, entwickelte sich zu einem der modernsten Unternehmen seiner Art. Produziert wird nach wie vor am Standort Stuttgart-Zuffenhausen. Als erster Hersteller brachte Vollmer vor fünf Jahren Bausätze aus Biokunststoff auf den Markt.

Zu Heiligabend werden unter Millionen von Weihnachtsbäumen in aller Welt Schienen für Modelleisenbahnen verlegt. Damit das Spiel mit der Eisenbahn, egal welcher Spurgröße wirklich Spaß macht, müssen Bahnhöfe, Kirchen, Wohnhäuser, Brücken und Oberleitungen die Miniaturwelt komplettieren. Ein großer Teil dieser Produkte, die für Modelleisenbahnfreunde viel mehr sind als "Zubehör", kommt von einem der renommiertesten Hersteller von Modellbausätzen, der 1946 gegründeten Vollmer GmbH & Co. KG aus Stuttgart-Zuffenhausen. "Entgegen der Annahme, dass fast nur Männer an Modelleisenbahnen basteln, sind 40 Prozent unserer Kunden Frauen", erklärt Susanne Tochtermann, Tochter des Gründers und seit 1990 Geschäftsführerin bei Vollmer. "Allerdings sind die Männer häufiger für die Technik zuständig, Frauen gestalten lieber die Dioramen für die Anlage."

Je nach Detailliertheit und Anzahl der Bauteile kann der Aufbau eines Gebäudes schon mal mehrere Tage in Anspruch nehmen, Kinder können die einfacheren in drei Stunden bewältigen. "An die 1.000 Artikel umfasst unsere Produktpalette für den Modellbau, hinzu kommen noch 400 Artikel aus dem Industriebereich, unserem zweiten Standbein", sagt Susanne Tochtermann. Von Bahnhöfen, Bahnsteigen, Stellwerken, Brücken, Oberleitungen über Feuerwehrwachen, Polizeistationen und Garagen bis hin zu Burgen, Mühlen und Kirchen ist für jeden etwas dabei – sogar moderne Architektur.

Bei so vielen Präzisionsprodukten – darunter 500-teilige Bausätze – ist Perfektion unverzichtbar. Heute ist die Vollmer GmbH & Co. KG einer der modernsten Betriebe seiner Art. Dabei fing vor über 65 Jahren alles recht bescheiden mit "Spiel- und Galanteriewaren" an.

Von Kragenknöpfen zu Oberleitungen

Wolfram Vollmer, eigentlich gelernter Optiker, begann 1946 Nachziehtiere aus dem Holz heimischer Birnbäume zu sägen. Bald kamen Kragenknöpfe aus Metall und Salatsiebe aus Stahlhelmen hinzu. "Mein Vater war sehr pfiffig, bald stellte er mit zehn Arbeitern in einem gemieteten Raum im Rathaus von Zuffenhausen vor allem Krawattennadeln, Kragen- und Wäscheknöpfe her", sagt Susanne Tochtermann. Doch die Währungsreform von 1948 bescherte dem kleinen Unternehmen einen herben Rückschlag. Stahlkragenknöpfe fanden keinen Absatz mehr, die Beschäftigten wurden erst einmal arbeitslos. Wolfram Vollmer aber nutzte die Flaute und lernte bei BASF den Umgang mit Spritzgussmaschinen. Von seinem letzten Geld kaufte er sich eine solche Maschine und produzierte von nun an Kragenknöpfe aus Kunststoff, die reißenden Absatz fanden. Schließlich hatte er die Idee, Oberleitungen und Masten aus Kunststoff für Modelleisenbahnen herzustellen. Im Jahr 1949 präsentierte er seine bereits patentierte Oberleitung auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Die Resonanz war überwältigend, die Serienfertigung konnte beginnen. Ab 1954 folgten Brücken und andere Bauwerke für Freunde von Modelleisenbahnen der Spurgrößen H0, N, Z und seit 1995 auch G (Gartenbahn).

Heute orientiert man sich bei Vollmer an den modernsten Technologien für Entwicklung und Produktion. So wird seit Anfang der 1990er Jahre mit CAD-Systemen konstruiert, sodass die Daten im eigenen Spritzgussmaschinenpark ohne Umwege zur Verfügung stehen. Die zertifizierte Qualitätssicherung dürfte im Modellbereich einzigartig sein.

Den Almbauernhof gibt es auch als Biobausatz

Konstruktion, Werkzeugbau arbeiten im selben Haus wie die Produktion mit ihren 50 Mitarbeitern. "So kann ich schnell reagieren und das Ruder notfalls herumreißen, wenn ich merke, dass ein Bausatz nicht so läuft wie gedacht oder ein anderer sich als Renner entpuppt", sagt Susanne Tochtermann. Pro Jahr werden 30 bis 50 neue Modelle ins Sortiment aufgenommen, andere wiederum verschwinden. In diesem Jahr dürften der Bausatz des – wirklich rauchenden – brennenden Finanzamts oder die Bank mit Euro-Rettungs-schirmen zu Verkaufsschlagern werden.

Die Stille-Nacht-Kapelle in Oberstdorf, der alte Baden-Badener Bahnhof, das Geburtshaus von Papst Benedikt XVI., Discountmärkte und Fast-Food-Fressbuden, alle Modelle bilden die Realität ab und werden – möglichst nach Originalbauplänen – maßstabsgerecht nachgebaut.

Nicht nur die Entwicklung, der Formen- und Werkzeugbau und die Produktion sind bei Vollmer an modernsten Anforderungen ausgerichtet. Auch beim Umweltschutz setzt Vollmer auf Perfektion: Sämtliche Druck- und Werbemittel werden auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Transport- und Umverpackungen werden ohne giftige Lacke hergestellt und sind voll recyclebar. Alle verwendeten Kunststoffe sind schwermetallfrei, der Klebstoff ungiftig. Seit fünf Jahren werden bei Vollmer für einige Modellbausätze sogar Biokunststoffe verwendet. "Diese sind aus organischem Material wie Maisstärke, Kartoffelstärke, Holz oder Zellulose", sagt die Geschäftsführerin. "Wir waren die ersten in unserer Branche überhaupt, die Bausätze aus Biomaterialien auf den Markt brachten." So gibt es die Bäckerei Lang, den Alnatura-Laden und den Almbauernhof aus Biomaterialien. "Die Materialkosten sind zwar teurer, aber wir merken, dass das Interesse daran wächst", sagt Susanne Tochtermann.

Dauerbrenner Romantik "made in Germany"

Die Produktion der Modellbausätze findet seit 1956 ununterbrochen in Stuttgart-Zuffenhausen statt. Bei der unmittelbaren Nähe zum Automobilhersteller Porsche lag es nahe, ein Porsche-Vertriebs-Zentrum als Fertigmodell im Maßstab 1:87 auf den Markt zu bringen, das in Zusammenarbeit mit der Sportwagenschmiede erarbeitet wurde. Der Clou: Zum Aufstellen von Porsche-Modellautos kann das Dach abgenommen werden. "Wir produzieren in sämtlichen Baugrößen für Modelleisenbahnen, H0 ist aber der wichtigste und am weitesten verbreitete Maßstab bei Modelleisenbahnen, deshalb gibt es dafür auch die größte Auswahl an Häusern, Zubehör und Fahrzeugen", erklärt Susanne Tochtermann. "Aber auch in N, Z und G haben wir viele Bausätze."

Grundsätzlich wird das ganze Jahr über produziert, wobei von September bis März die Nachfrage nach Kunststoffhäusern & Co. besonders hoch ist. Wenn es draußen kalt und dunkel ist, wird eben gebastelt, da müssen die Top-Artikel – bei Vollmer heißen sie A-Artikel – immer zu 100 Prozent lieferbar sein. Fachwerkhäuser, romantische Bahnhöfe und Kirchen zählen zu den A-Artikeln und kommen vor allem in China, Australien und Südamerika gut an. Denn 40 Prozent des Umsatzes werden heute im Ausland erwirtschaftet, wo "good old Germany" immer noch fasziniert. Da ist es nur konsequent, dass Vollmer immer noch da produziert, wo die Inspiration herkommt. Susanne Tochtermann: "Wir stellen Produkte mit maximaler Präzision in bestmöglicher Qualität her, unsere Mitarbeiter und ihr Know-how sind unser Kapital, so etwas gibt man nicht auf."

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