Dressur der Zwerge

Mikro-Bauteile unbeschädigt an Ort und Stelle bringen: Fraunhofer-Forscher aus Stuttgart wissen wie.

© Photographer: Rainer Bez; Clemens Hess
Mikroteile im Vergleich zu einer Büroklammer

Eine Ansammlung winziger Bauteile einzeln dorthin befördern zu können, wo man sie zur Verarbeitung braucht: dafür besteht in der Medizintechnik, Uhrenindustrie oder Mikroelektronik zunehmend Bedarf. Die Herstellung wird stetig automatisiert und besteht aus immer mehr miteinander gekoppelten Prozessen. Gleichzeitig werden die Bauteile kleiner. "Sie brauchen sich nur ein Handy anschauen. Viele Geräte im alltäglichen Gebrauch werden zusehends kompakter und das gilt auch für deren Bestandteile", sagt Dirk Schlenker, Gruppenleiter Präzisionsmontage und -auftragstechnik am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart.

Solche Bauteile, die mit dem bloßen Auge kaum noch zu erkennen sind, lassen sich mit den bisherigen Techniken kaum ohne Beschädigung oder Verschmutzung in Reih und Glied bringen und anschließend für die weitere Verarbeitung zuführen. "Der kleinste LED-Chip ist gerade mal 0,2 Millimeter groß, das entspricht ungefähr der doppelten Breite eines Haares und ist mit einer Pinzette nicht mehr greifbar", erklärt Schlenker das Problem. Das Forscher-Team um Schlenker hat sich für die Dressur der Zwerge unter den Kleinteilen deshalb etwas einfallen lassen, das ebenso simpel wie trickreich ist: Das Insekt "Wasserläufer" bewusst zum Vorbild, haben sie sich bei dem neuen Verfahren die Oberflächenspannung von Wasser zu Nutze gemacht. Stecknadelkopfgroße Schrauben, Chips, Sensoren oder Mini-Zahnräder werden auf eine Wasseroberfläche gesetzt und wandern ganz ohne Füße dank ihres Fliegengewichts unter Ausnutzung von Schwerkraft und Oberflächenspannung zum Rand der Flüssigkeit. Dort sorgt eine Anschlagskante dafür, dass sie sich zunächst aufreihen und dann in darin eingearbeitete Ablagetaschen purzeln. Danach wird das Wasser abgesaugt und letzte Rückstände verdampfen.

Anschließend können die sortierten Teile entnommen, weitertransportiert oder gelagert werden. Auf Wunsch ist es möglich, sie noch mit Reinstwasser zu reinigen und mit Luft zu trocknen. Mit diesen möglichen Erweiterungen soll ein flexibles Baukasten-System entstehen, aus denen Unternehmen maßgeschneidert wählen können. Das Wasserläufer-Verfahren, das die Fraunhofer-Forscher auf den Namen "IPA.FluidSorting" getauft haben, entstand in Zusammenarbeit mit Industriepartnern innerhalb von eineinhalb Jahren und ist fertig zur Industriereife entwickelt.
Nach Auskunft Dirk Schlenkers ist das Verfahren zwar noch in keine Großserie integriert, aber jetzt schon einsetzbar. "Mit IPA. FluidSorting können wir im Prinzip sogar Staubkörner sortieren", so Schlenker. Mehrere Unternehmen haben bereits Interesse an dem System bekundet.

http://www.ipa.fraunhofer.de