Cooles Design und kühler Innenraum

Studierende der Hochschule für Technik in Stuttgart üben am preisgekrönten "lebendigen" Objekt: home+

© Jan Cremers
Das home+ ist ein Musterbeispiel für Energieeffizienz und Wohlfühlklima

Draußen ist es heiß, drinnen ist es kühl und die Energie dazu kostet wenig bis nichts. An dieser komplexen Rechenaufgabe tüfteln seit vielen Jahren viele kluge Köpfe. Zwar spielt in unseren Breiten naturgemäß der Schutz vor Kälte eine größere Rolle. Doch die ersten Hitzetage bringen ans Licht, dass bei afrikanischen Temperaturen ein angenehmes Raumklima hierzulande nur im Keller herrscht oder teuer für Umwelt und Geldbeutel zu bekommen ist.

Ein Musterbeispiel für Energieeffizienz und Wohlfühlklima steht mitten in Stuttgart direkt neben der Liederhalle. Es heißt home+, wurde von Studierenden der Hochschule für Technik (HFT) aus Stuttgart entwickelt. "Das Wettbewerbshaus sollte keine Eintagsfliege bleiben," erläutert Professor Jan Cremers, der das Projekt seit Anbeginn betreut. "Deshalb haben wir es hier wieder aufgebaut und unsere Studierenden können sich hier Praxiswissen aneignen, das im Hörsaal kaum vermittelbar ist."

Traditionelle Konzepte standen Pate

Ursprünglich wurde das Haus für den Hochschulwettbewerb "Solar Decathlon Europe" entworfen, der seit 2008 Studierende dazu aufruft, energieeffizientes Bauen mit architektonischem Anspruch zu verbinden. Das hochinnovative Haus, das die Studierenden der HFT Stuttgart entworfen und realisiert haben, gewann 2010 in dieser Weltmeisterschaft des solaren Bauens die Bronzemedaille. Es nutzt traditionelle Bauweisen aus extremen Klimazonen und verbindet diese mit modernen Materialien und Technologien. Türme zur Belüftung gehören dazu, ebenso wie darin aufgehängte befeuchtete Textilbahnen, die durch Wasserverdunstung den Innenraum kühlen. Windtürme im arabischen Raum und die in Spanien weitverbreiteten Patios standen hier Pate.

"Für die Studierenden ist es wichtig, dass sie verschiedene Optionen kennenlernen und damit umgehen können", sagt Cremers. "So wie an diesem Beispiel, in dem historische Konzepte mit heute verfügbaren Materialien und Technologien kombiniert werden." Sogenannte Phasenwechselmaterialien in den leichten Deckenelementen nehmen tagsüber Wärme auf, speichern sie und geben sie wieder ab. Mit diesem Prinzip wird das Haus zusätzlich gekühlt. Kollektoren, die an der Hochschule neu entwickelt wurden, kühlen nachts das Wasser ab und versorgen zusätzlich einen zentralen Tank, dessen 1.200 Liter Wasser gut verteilt an heißen Tagen auch den Boden kühlen, so dass rundum ein angenehmes Wohnklima entsteht.

Optik und Technik im Einklang

"Dennoch gibt es kein endgültiges Rezept für energiearme Häuser," stellt Cremers klar. Home+ war ursprünglich auf die klimatischen Bedingungen in Madrid ausgerichtet. "Architekten und Ingenieure müssen nach Antworten suchen, die dem jeweiligen Ort gerecht werden."

Das Wettbewerbshaus home+ der HFT Stuttgart gehört zu den Plusenergiehäusern. Es produziert deutlich mehr Energie als es selbst verbraucht. In der kalten Jahreszeit wird die Abwärme der verbrauchten Innenluft genutzt und besonders leistungsfähige Solarmodule holen Wärme ins Haus und stellen Strom zur Verfügung. Im Gegensatz zu herkömmlichen Modellen sind diese optisch ansprechend gestaltet. Das attraktive gold-bronzefarbenen Schachbrettmuster auf dem Dach und an zwei Fassadenseiten übernimmt auch die Funktion einer Wandbekleidung. Die besondere Gestaltung des Prototypen ist kein Zufall. Beim Solar-Decathlon-Wettbewerb müssen ästhetische und technische Anforderungen in Einklang gebracht werden.

Alle Teile des home+ erfüllen einen Zweck und sehen noch dazu gut aus. Das Haus wurde aus mehreren Modulen zusammengesetzt. So lassen die Fugen dazwischen bei Bedarf Licht und Luft herein. "Die Modulgröße war exakt auf den Lastwagentransport abgestimmt," erzählt Cremers. "Auch logistische und produktionstechnische Aspekte gehören zur Planung dazu – das lernen unsere Studierenden an der HFT schon früh."

Praktische Erfahrung an der Hochschule

Das unkonventionelle Bauwerk fungiert mittlerweile als vielgenutztes lebendiges Labor. Nicht umsonst erhielt das Projekt home+ rund 50.000 Euro im Fellowship-Programm von der Baden-Württemberg-Stiftung für "Innovationen in der Hochschulehre". Cremers, Studiendekan des Bachelor-Studiengangs KlimaEngineering, erhielt eines von bundesweit 16 Fellowships dafür, das Wettbewerbshaus home+ in die Lehre zu integrieren. 150 Studierende profitieren derzeit davon und sind in das Projekt involviert.

Dass die Studierenden soviel Praxiserfahrung sammeln können, verdankt die Hochschule vielen Partnern und Sponsoren – für die Nachnutzungsphase insbesondere der Baden-Württemberg-Stiftung, die dieses Haus der Zukunft von Anbeginn großzügig unterstützt hat. Und es geht noch weiter. Im kommenden Jahr sollen die ersten neu entwickelten Solarkollektoren marktreif sein.

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