Die stille Heldin

Die Firma Fetzer aus Eislingen stellt Pflanzenkohle aus Holzresten her. In Verbindung mit Erde bindet sie Kohlenstoffdioxid und säubert so die Luft

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Pflanzenkohle bindet Kohlenstoffdioxid in Verbindung mit Erde und säubert so die Luft
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© Fetzer Rohstoffe + Recycling GmbH
Die beiden Pyrolyse-Anlagen der Fetzer Rohstoffe + Recycling GmbH stellen rund um die Uhr Pflanzenkohle her. Nur für Wartungsarbeiten werden die Anlagen heruntergefahren.

Auf dem Firmengelände ist es laut. Ein großer Lkw fährt schwerfällig durchs Firmentor, während ein Gabelstapler schwere, schwarze Säcke auf einer Palette transportiert. Mitten drin brummen zwei große Anlagen rhythmisch vor sich hin. Um die Anlagen ist es warm. Hier werden gerade Holzreste mit rund 650 Grad Celsius erhitzt. Der Vorgang nennt sich Pyrolyse – das Ergebnis: Pflanzenkohle. „Wenn unsere Anlagen so summen wie gerade, dann ist alles im grünen Bereich“, lächelt Lisa Klöpfer. Sie ist vom Marketing bis zur Produktentwicklung an fast allem hier beteiligt.

Erste Anlage in Baden-Württemberg

Geführt wird die in Eislingen an der Fils hergestellte Pflanzenkohle unter dem Namen Moola. „Moola ist kein Produkt – sondern ein Label“, erklärt Klöpfer. Es gehört zur Fetzer Rohstoffe + Recycling GmbH mit Sitz in Eislingen im Landkreis Göppingen. Bekannt geworden ist das Unternehmen damit, aus Plastikflaschen, alten DVD-Playern und Styropor noch wertvolle Materialien zu sichern und dem Wertstoffkreislauf zurückzuführen. Die Idee, eine Mischung aus Sträuchern, Grünschnitt und Holzresten mit einer Pyrolyse-Anlage zu erhitzen und daraus Pflanzenkohle zu gewinnen, ist aus der Not entstanden: Eine Lösung musste her, als bei Fetzer die Heizung in die Jahre gekommen war. Fetzer investierte 2012 in eine Pyrolyse-Anlage – die erste damals in Baden-Württemberg.

Variantenreiche Pflanzenkohle

Nach vielen Jahren der Tüftelei vertreibt das Eislinger Unternehmen heute Pflanzenkohle in verschiedenen Variationen: Dazu gehört Pflanzenkohle für Hobbygärtner ebenso wie für Landwirte, die damit Mist und Gülle aufbereiten oder die Pflanzenkohle an ihre Tiere verfüttern. Entscheidend ist dann jeweils die „Veredelung“, berichtet Lisa Klöpfer. Gemeint ist die Korngröße, der Feuchtigkeitsgrad und Mineralstoffgehalt, der dann variiert – alles streng zertifiziert.

Erhitzen statt verbrennen

Entscheidend beim Erhitzen der Holzhack-Schnitzel, die das Recycling-Unternehmen Fetzer aus einer benachbarten Baumschule bezieht, ist, dass beim gesamten Pyrolyse-Vorgang kein Sauerstoff im Spiel ist. So wird kein Kohlenstoffdioxid (CO₂) in die Umgebung abgegeben. Die Herstellung der Pflanzenkohle bleibt CO₂-frei. Erhitzen statt verbrennen – darauf wird hier großen Wert gelegt. Die Vorteile der Moola-Pflanzenkohle sind vielfältig: Durch Pflanzenkohle können Äcker Regen und Nährstoffe besser aufnehmen bzw. speichern. Sie fördert auch die Struktur von Böden, in dem sich Mikroorganismen in der Erde leichter einnisten und weniger Düngemittel eingesetzt wird. Nicht zuletzt säubert Pflanzenkohle die Luft, indem sie CO₂ für mehr als 100 Jahre bindet.

Mehrere Kreisläufe

Auf dem Firmengelände in Eislingen schnurren die beiden Pyrolyseanlagen bei Sonnenschein weiter vor sich hin. Neben der Biomasse, die hier zu Pflanzenkohle wird, gibt es einen weiteren Kreislauf, auf den zunächst nichts hindeutet. Denn er verläuft unterirdisch über Rohre und verbindet die beiden Pyrolyse-Anlagen mit einer rund 30 Meter entfernten Produktionshalle. Transportiert wird darüber Wärme, die beim Pyrolyse-Vorgang nebenbei entsteht. Mit dieser Wärme treibt Fetzer ihre Maschinen zum Recyceln von Plastikflaschen an. Gleichzeitig treibt die überschüssige Wärmeenergie die Pyrolyse-Anlagen selbst mit an – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, bei Schnee, Regen und Wind. Nur für Wartungsarbeiten fahren die Anlagen hier herunter.

Holzkohle versus Pflanzenkohle

Auch wenn Holzkohle und Pflanzenkohle ähnlich hergestellt werden, unterscheiden sie sich in ihrem Ausgangsmaterial, ihrer Verwendung und Qualität. Pflanzenkohle wird kontrollierter erhitzt als Holzkohle und ist dadurch frei von Teeren und Giften. Während Holzkohle nur aus Stammholz hergestellt wird, entsteht Pflanzenkohle neben Holzresten auch aus Stroh, Nussschalen und anderen Bio-Abfällen. Zuletzt wird Holzkohle vor allem beim Grillen und Heizen eingesetzt, Pflanzenkohle als Bodenverbesserin und CO₂-Speicher.

Aus Begeisterung zu Moola

Alles-Könnerin Lisa Klöpfer wurde einst bei Fetzer ausgebildet, übernommen und schrittweise an Pyrolyse-Verfahren, CO₂-Speicherung und den Vertrieb der Pflanzenkohle herangeführt. Neben Klöpfer gehören inzwischen sieben Mitarbeiter*innen zum Moola-Team. Wie ihre Kolleg*innen hatte auch sie zunächst keinen Bezug zu Bioökonomie und Umweltwissenschaft: „Wir alle sind aus Begeisterung und Selbststudium bei Moola gelandet“, erinnert sich Klöpfer.

Pflanzenkohle in Städten und beim Bauen

Und die Begeisterung ist zu spüren: Die Moola-Pflanzenkohle soll bald schon in der CO₂-emittierenden Bauwirtschaft eingesetzt werden, um dort direkt wieder CO₂ zu binden. Auch in Städten soll sie künftig Verwendung finden – etwa um bei der Pflege und Bewässerung von Grünflächen im öffentlichen Raum zu entlasten. Denn durch die Pflanzenkohle werden Bäume und Blumen auch robuster und damit langlebiger. So können Städten und Gemeinden Kosten sparen. Die Pyrolyse-Anlagen auf dem Firmengelände der Firma Fetzer brummen weiter hungrig vor sich hin. Der nächste Gabelstapler fährt vor, schnappt sich einen weiteren Pflanzenkohle-Sack und reiht ihn ein paar Meter weiter in eine Vielzahl von schwarzen Säcken ein. Dort warten sie alle auf ihren Einsatz und ihre Mission, Pflanzen zu stärken und die Luft zu säubern.

moola.de

Autor: Jannik Hausmann