Wenn das Auto zum persönlichen Assistenten wird

Mit Infotainment-, Audio- und Connectivity-Lösungen international erfolgreich: die Stuttgarter S1nn GmbH

© Martin Wagenhan (S1nn GmbH)
S1nn entwickelt Infotainment-, Audio- und Connectivity-Lösungen für Automobilhersteller (Foto: S1nn GmbH)rnSpeziell für den Porsche 919 Spyder entwickelt: einzigartiges System mit zwei Bildschirmen, Touchfunktion und App-Anbindung (Foto: S1nn GmbH)rnDie vier Gründer Philipp Popov, Andreas Heim, Heiko Henkelmann (Foto: S1nn GmbH)
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S1nn entwickelte für Porsche ein einzigartiges System mit zwei Bildschirmen, Touchfunktion und App-Anbindung
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Die vier Gründer Philipp Popov, Andreas Heim, Heiko Henkelmann

Die Stuttgarter S1nn GmbH entwickelt Infotainment-, Audio- und Connectivity-Lösungen für Automobilhersteller wie Porsche, Volkswagen und Tesla. S1nn-Lösungen sichern die reibungslose Verbindung von Smartphones, MP3-Playern oder USB-Sticks mit dem Bordcomputer. Produkte wie „E-Noise“ und „E-Call“ nutzen dieselbe Plattform, bieten aber viel mehr als einen bloßen Zusatznutzen: Sie sorgen für mehr Sicherheit im Straßenverkehr.

Stellen Sie sich vor, Sie wären mit dem Wagen in einer fremden Stadt unterwegs. Sie bekommen Appetit und möchten essen gehen. Alles was Sie tun müssen, um die Idee umzusetzen ist, sie auszusprechen. Ihr Auto weiß schon, was Sie gerne mögen und schlägt Ihnen daher nur Restaurants nach Ihrem persönlichen Gusto vor – und natürlich nur solche, die geöffnet haben und staufrei zu erreichen sind. Haben Sie ein Lokal ausgewählt, stellt Ihr Fahrzeug die Verbindung für die Reservierung her oder übernimmt das über „Open Table“ völlig selbstständig. Da es genau weiß, wo Sie sich momentan befinden und wie lange es dauert, bis Sie im Restaurant angekommen sind, wird für den optimalen Zeitpunkt reserviert. Darüber hinaus „denkt“ es an die eigenen Bedürfnisse: Falls etwa auf dem Weg zum Essen der Treibstoff zu Ende zu gehen droht, sucht sich Ihr Wagen die nach Abwägung aller Umstände – bevorzugte Marke, Preis, Umweg, Frequentierung – günstigste Tankstelle.

Ein Szenario aus der Fernseh-Serie „Knight Rider“, deren Hauptdarsteller „K.I.T.T.“, ein intelligentes, sprechendes Auto ist? Weit gefehlt! „Der intelligente Wagen gehört zu den Systemen der Zukunft, die unsere Technologie ermöglichen wird“, erklärt Philipp Popov, Geschäftsführer der S1nn GmbH. Diese Zukunft sei gar nicht mehr so weit entfernt. Zwei bis drei Jahre soll es, laut Philipp Popov noch dauern, bis die geschilderte Szene Realität sein kann.

Das Stuttgarter Unternehmen S1nn wurde 2004 gegründet und entwickelt Infotainment-, Audio- und Connectivity-Lösungen für Automobilhersteller wie Porsche, VW oder Tesla. Angefangen hat S1nn als Entwickler von Audiosystemen für die Automobilindustrie. Die vier Gründer Philipp Popov, Andreas Heim, Heiko Henkelmann und Michael Fabry hatten bereits vor 2004 zusammengearbeitet – ebenfalls im Audio-Bereich. Durch die Erweiterung des Geschäftsfeldes um den Bereich Konnektivität mit Lösungen für die Einbindung von Smartphone, MP3-Player und USB-Stick in den Bordcomputer – Dinge, die uns heute schon als selbstverständlich erscheinen – war der weitere Erfolg von S1nn vorprogrammiert.

Popov, Heim, Henkelmann und Fabry setzten von vornherein auf die webbasierte Technologie HTML 5 und schafften damit den Durchbruch in die „Welt des Infotainments“, als S1nn den Auftrag erhielt, für den „Supersportwagen“ Porsche 918 Spyder ein einzigartiges System mit zwei Bildschirmen, Touchfunktion und App-Anbindung zu entwickeln. Dies führte dazu, dass schließlich Harman, die internationale Gruppe von Audio-Zubehör-Herstellern, HiFi-Spezialisten und Elektronikausstattern (Stamford, Connecticut, USA) aufmerksam wurde und S1nn ein „gutes Angebot“ unterbreitete. „Wir haben uns darüber gefreut und angenommen, denn wir bleiben selbstständig und können unsere Träume noch besser realisieren, weil wir jetzt eine entsprechende Mutter im Rücken haben, mit der wir auch große Auftragsvolumina problemlos bewältigen“, erklärt Philipp Popov.

Hollywood-Sound und mehr Sicherheit im Straßenverkehr

Eines der erfolgreichen Produkte, die S1nn ohne die „große Mutter im Rücken“ für die VW-Gruppe entwickelte, ist „E-Noise“. Es sorgt bei eigentlich geräuschlosen Elektrofahrzeugen für einen Soundeffekt, damit Fußgänger vor herannahenden Fahrzeugen gewarnt werden. Dabei spielt es im Grunde keine Rolle, ob das Auto nun typische Motorengeräusche von sich gibt oder bestimmte Melodien abspielt. „Die Fahrzeughersteller wollen damit natürlich einen individuellen Wiedererkennungswert schaffen, es gibt tatsächlich schon Autohersteller, die mit Studios in Hollywood zusammen arbeiten, um den besten Sound für die eigene Marke zu evaluieren“, sagt Philipp Popov.

Neben der Soundausstattung sorgt S1nn auch für schnelle Hilfe nach einem Unfall. Denn der so genannte „Emergency-Call“ verbindet die Insassen nach einem Unfall automatisch mit der Rettungsleitstelle. Sind die betroffenen Personen nicht mehr ansprechbar, gibt das System alle wichtigen Koordinaten an die Retter weiter. Ab April 2018 müssen alle neuen Fahrzeuge in der EU damit ausgestattet sein. Damit das Gerät auch bei einem Totalschaden noch zuverlässig funktioniert, muss es eine autarke Energieversorgung haben und gut geschützt im Innenraum angebracht sein.

Schwäbische DNA trifft auf Silicon Valley

Das international ausgerichtete Unternehmen beschäftigt aktuell rund 100 Mitarbeiter aus 17 Nationen, die ständig an Innovationen tüfteln. „Dank Harman haben wir jetzt einen direkten Draht zum Silicon Valley und wenn wir unsere schwäbische DNA mit dem Geist der erfolgreichsten Hightech-Region der Welt verbinden, sind wir richtig gut aufgestellt“, freut sich Philipp Popov. Für den Umstand, dass das Unternehmen bereits jetzt blendend dasteht, spricht unter anderem die Nominierung für die „Top Ten“ beim Landespreis der jungen Unternehmen, den das Land Baden-Württemberg und die L-Bank alle zwei Jahre ausschreiben. Ausgezeichnet werden Unternehmen aus der Region, die ein innovatives Geschäftskonzept, wirtschaftlichen Erfolg, Persönlichkeit, Vorbildfunktion und soziale Kompetenz nachgewiesen haben und außerdem nachhaltig wirtschaften. Auch große Kunden wie Tesla Motors zeugen von der hohen Wettbewerbsfähigkeit des Stuttgarter Unternehmens. Der im kalifornischen Silicon Valley ansässige amerikanische Elektroauto-Hersteller gehört bekanntlich zu den Vorreitern im Bereich von Infotainment und Konnektivität. So kommen bei Tesla – als erstem Automobilhersteller überhaupt – heute schon alle System-Updates aus der „Cloud“. Entsprechend beeindruckend war es, als Tesla S1nn um Angebote bat. „Das war schon 2009 und wir hatten ein wenig Angst, dass wir uns mit so einem großen Kunden übernehmen könnten“, gibt Geschäftsführer Popov zu. „Doch gerade als Start-up muss man einfach an sich glauben.“

Resultat: Mit der HiFi-Anlage im Tesla Model S konnte sich S1nn im Test der Automobilzeitschrift „Auto, Motor und Sport“ sogar gegen den deutlich höherpreisigen Konkurrenten Bang & Olufsen im Audi A7 durchsetzen. Nun soll auch das neue Model X von Tesla mit einem System von S1nn ausgestattet werden. Trotzdem sieht Popov noch Verbesserungspotenzial für sein Unternehmen: „Wir müssen noch schneller entwickeln, damit wir mit der schnelllebigen Welt an der amerikanischen Westküste mithalten können“, erklärt er. Die deutschen Fahrzeughersteller hätten doch noch immer recht lange Entwicklungszyklen. Tesla hingegen verlange neue Entwicklungen in der Silicon-Valley-typischen Geschwindigkeit von einem Jahr. „Das sind die Herausforderungen, die wir in Zukunft meistern müssen.“

www.S1nn.de