Unterwegs zur Wiege der Industrialisierung

Durch das Filstal führt jetzt eine Route der Industriekultur

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Historische Industriegebäude entdecken (Foto: Susanne Rauh)

Mit dem Fahrrad oder dem Pedelec lässt sich der Weg in die Vergangenheit am schönsten bewältigen. Die im Juli eröffnete Route der Industriekultur im Osten der Region Stuttgart ist praktischerweise mit dem Filstalradweg verbunden. Das Projekt, das vom Verband Region Stuttgart und den 16 Gemeinden des Filstals getragen wird, führt zu über 100 Standorten von der Quelle bei Wiesensteig bis zur Mündung in Plochingen. Sie bezeugen, dass im Filstal die Wiege der württembergischen Industrialisierung stand.

Ankerpunkte weisen den Weg

Das Routenlogo zeigt immer, wo es langgeht. Ankerpunkte, die nicht unmittelbar am Weg liegen, sind über kurze Abstecher zu erreichen. Eingebettet in den Landschaftspark Region Stuttgart verknüpft die Route zahlreiche Relikte und Zeugnisse einer langen und eindrucksvollen Industriegeschichte wie auch einer bis heute lebendigen Unternehmenslandschaft. An Ankerpunkten und Stationen zur Industriekultur lässt sich unterwegs Interessantes zu den besonderen Orten, zu Unternehmern und Unternehmen, zu Produkten und Erzeugnissen, zu Baukultur und Denkmalen, zu früheren und heutigen Arbeitswelten erfahren.

Teil des Masterplans Filstal

Die Route, die Teil des Masterplans Filstal ist, sei keine öde Museumstour, sondern ein spannender Streifzug durch die Geschichte, erklärte der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart Thomas S. Bopp bei der Eröffnung Mitte Juli in der historischen Arbeitersiedlung Kuchen. Diese Geschichte lässt sich an allen Ecken entdecken: Bevor die Dampfmaschinen das Kommando übernahmen, nutzte man vielerorts die vorhandene Wasserkraft. In Salach wurde bereits im Jahr 1817 eine wassergetriebene Spinnerei gegründet, aus der kurz darauf die Kammgarnspinnerei Schachenmayr hervorging – eine bis heute weltbekannte Marke. Viele Industriedenkmale haben sich mit neuem Leben gefüllt, wie etwa der Kulturpark Dettinger in Plochingen, von wo früher Mühlsteine nach ganz Europa exportiert wurden. An anderen Orten lässt sich der Bogen zur Gegenwart schlagen, so in der benachbarten Feldmühle, wo die CeramTec-Gruppe mit Hochleistungskeramik weltweit Geschäfte macht. „Wir müssen uns immer ändern, damit es funktioniert“, sagte Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling bei der Eröffnung. Die politischen Rahmenbedingungen dafür stimmten, lobte Edith Strassacker von der gleichnamigen Kunstgießerei in Süßen, die der Welt das goldene Bambi beschert hat.

Vielfältige Industriegeschichte

Der Wandel ist ein wesentlicher Teil der Industriegeschichte des Filstales. Ideereichtum und Anpassungsfähigkeit sind zwei Grundprinzipien, mit denen Unternehmen aus der Region die zahlreichen Hürden ihrer Zeit genommen haben. In Uhingen treibt der Weltmarktführer in der Blechumformung Allgaier seine Innovationen voran, während flussabwärts in Reichenbach bei Starmix der elektrische Händetrockner erfunden wurde. An den einzelnen Infostationen der Route wird direkt am Radweg Interessantes und Wissenswertes zur Industriekultur in den Kommunen und Firmen vermittelt. „Zukunft braucht Herkunft“, fasste Peter Hofelich, Staatssekretär im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, zusammen. Ob Märklin in Göppingen, WMF in Geislingen, eine Hammerschmiede ein Mühlhausen im Täle, die ehemalige Wäschefabrik in Deggingen oder alte Mühlen und historische Bahnhöfe – die Industriegeschichte des Filstals ist vielfältig. Ja, auch Bahnhöfe sind Orte der Industriekultur: Ohne die Eisenbahn wäre der Rohstoff- und Warentransport nur unter größten Mühen möglich gewesen.

Auf allen Wegen gut erreichbar

Arnold Staub, der 1867 eine vorbildliche Arbeitersiedlung in Kuchen errichtete, musste seine 400 Webstühle noch umständlich per Pferdetransport heranschaffen. Heutzutage sind die einzelnen Orte der Route mit dem öffentlichen Nahverkehr oder dem Auto bestens erreichbar. Wer ohne Fahrrad anreist oder gerne etwas flotter als mit reiner Muskelkraft unterwegs ist, kann eine der E-Bike-Miet- und -Ladestationen ansteuern. Führungen, Ausstellungen oder Werksverkäufe sowie gastronomische Angebote ergänzen die eigenen Entdeckungen und machen die Industriekultur vor Ort zu einem Erlebnis.

Besonders eindrücklich sind auch die persönlichen Geschichten von Menschen aus dem Filstal, die auf der sehr informativen Webseite zu lesen sind. Ein übersichtlicher Führer, den der Verband Region Stuttgart herausgegeben hat, tut ein Übriges. Wie bei der Eröffnung zu hören war, wollen etliche der beteiligten Kommunen in der Zukunft mit eigenen lokalen Touren an die Route anknüpfen.

industriekultur-filstal.de