Menschmaschinen und mehr

Das Stuttgarter Future Work Lab macht den digitalen Wandel der Arbeit erlebbar

© Ludmilla Parsyak Photography

Selbst ein erfahrener Industriemeister hält den Atem an, wenn er sich in dieser Sammlung von Produktionsanlagen wiederfindet. Mit der Ausstattung einer herkömmlichen Fabrik hat das nur noch wenig zu tun. Wer wissen und erleben will, wie sich Arbeit in der Ära von Industrie 4.0 anfühlt und keine Scheu vor einem „Wesen“ hat, bei dem man sich erst einmal fragt, ob es sich um einen Menschen oder um eine Maschine handelt, ist hier genau richtig: In ihrem Future Work Lab (FWL) zeigen die beiden Stuttgarter Fraunhofer-Institute IAO und IPA sowie zwei Institute der Universität Stuttgart, was Industriearbeit der Zukunft wirklich bedeutet. Mit Demonstratoren von Produktionsanlagen, darunter zahlreichen Robotern, Angeboten zur Kompetenzentwicklung und Weiterbildung sowie einer Plattform für den wissenschaftlichen Austausch richtet sich das FWL an Industrie, Sozialpartner, Politik und Wissenschaft – und ganz konkret an die Produktionsmitarbeiter der Zukunft.

Das FWL ist ein eigenständiger Teil des Forschungscampus Arena 2036 der Universität Stuttgart und versteht sich als Zukunftsfabrik des Automobilbaus. In der Arena arbeiten auf 7.000 Quadratmetern Fläche unterschiedlichste Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft unter einem Dach an Innovationen aus den Bereichen Material und Produktionsverfahren im Automobilbau, etwa an der Auflösung des klassischen Fließbands in modulare Strukturen, die sich an das jeweilige Produkt anpassen.

Auf den 1.000 Quadratmetern, die das FWL einnimmt, sind bisher 30 industrielle Anwendungen installiert; in einigen Monaten sollen es 50 Systeme sein. „Da wir die komplette Wertschöpfungskette abdecken wollen, berücksichtigen wir alle Aspekte des Arbeitsplatzes eines Industrial Engineers der Zukunft, also auch indirekte Bereiche wie die produktionsnahe Verwaltung“, erklärt Simon Schumacher, Projektleiter seitens des IPA, der sich die Verantwortung mit Dr. Moritz Hämmerle vom IAO teilt. „Viel Beachtung finden fahrerlose Transportsysteme, die nur noch Stationen ansteuern, die wirklich notwendig sind und Fließbänder ersetzen sollen, Assistenzsysteme in der manuellen Montage bis hin zu Virtual Reality und Augmented Reality, die ebenfalls großes Interesse wecken“, sagt Schumacher.

Das FWL ist ein besonderer Ort, um die Begriffe Digitalisierung und Industrie 4.0 mit Leben zu füllen und ihre Bedeutung für die Produktionsarbeit anschaulich zu machen. „Insofern eröffnet es auch neue Möglichkeiten für den öffentlichen Dialog zwischen Bürgern, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft bezüglich der digitalen Transformation, die Arbeit und Produktionswelt nachhaltig verändern wird. Wir machen hier Zukunft erlebbar.“

Zu den spektakulärsten Highlights gehört das erwähnte „Maschinenwesen“, das in Wirklichkeit weder Cyborg noch Roboter ist, sondern lediglich ein Mensch im Exoskelett, das beim Heben schwerer Lasten Rücken und Gelenke des Anwenders massiv entlastet. „Bei unseren Besuchern, die überwiegend Planer und Facharbeiter mit gutem Vorwissen sind oder aus den Personalabteilungen kommen, ist das Exoskelett sehr gefragt“, sagt Simon Schumacher.

Die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ zählt das Future Work Lab zu den 100 innovativen Preisträgern des Wettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen 2017“. Wer selbst erleben will, wie sich die Industriearbeit der Zukunft anfühlt, kann sich zu einem der Open Lab Days anmelden.

futureworklab.de