Happy End in Ludwigsburg

Spezialeffekte und Animationen sind aus der Medienwelt nicht mehr wegzudenken. Im Animationsinstitut der Filmakademie Ludwigsburg lernen die Profis von morgen Handwerk und Teamwork – und haben gute Chancen, ihre künftigen Arbeitgeber zu treffen.

Der Kampf tobt. Das Publikum grölt, als Wrestler „Harald“ sich auf seinen Gegner stürzt und ihm seine Pranke auf den Kopf sausen lässt, dass es klatscht. Gewonnen! Nach dem Kampf nimmt der kahle Koloss die Kampfmaske ab und man blickt in ein naives Gesicht mit Kulleraugen. Harald hat ein Hobby: Er liebt Blumen. Heimlich. Seine Mutter, ein Biest mit spitzer Visage, darf nichts davon erfahren. Sie will, dass er kämpft, nicht träumt.

Moritz Schneider hält den Film an. Der 30-Jährige, Kapuzenpulli und Schiebermütze, sieht zufrieden aus. „Das ist schon ziemlich nah an dem, was ich wollte“, sagt er. In eine der Hängematten, die zwischen den Computern in vielen Gruppenarbeitsräumen hängen, will er sich dennoch nicht legen. Lieber geht er den Sechsminüter, der zugleich seine Diplomarbeit ist, nochmal durch und korrigiert noch ein wenig Kontrast und Farbe der Bilder. Dieses „Colour-Grading“ ist der letzte Schliff. „Das macht den Film runder“, erklärt Moritz Schneider.

An anderen Computern wird ebenfalls noch gearbeitet. Hier muss ein Kameraschwenk eingefügt, dort eine virtuelle Welt in bläuliches Mondlicht getaucht werden. Am Animationsinstitut der Filmakademie Ludwigsburg zählt die Liebe zum Detail, davon erzählen auch die leeren Dosen Energy-Drinks neben den Monitoren.

Die Besessenheit zahlt sich aus. 2011 ging der Oscar für die besten visuellen Effekte an Martin Scorseses „Hugo Cabret“, den ehemalige Ludwigsburger im Visual Effects Studio „Pixomondo“ mitgestaltet haben. Im gleichen Jahr wurde „Der Grüffelo“, der im Studio Soi in Ludwigsburg produziert wurde, als „Bester animierter Kurzfilm“ für den Oscar nominiert. Und 2012 wurde der Zeichentrickfilm „Die Prinzessin, der Prinz und der Drache mit den grünen Augen“ mit dem Deutschen Kurzfilmpreis ausgezeichnet. An der Produktion beteiligt auch hier: Studenten aus Ludwigsburg.

Das Animationsinstitut, 2002 als Teil der Filmakademie Baden-Württemberg gegründet, gilt als das beste seiner Art in Deutschland. Rund 80 Studenten des Studienschwerpunktes „Animation“ werden hier zu Spezialisten in Animation, Visual Effects und digitaler Postproduktion ausgebildet. Hinzu kommen gut 20 Studenten des Studienschwerpunktes „Interaktive Medien“. Das Studium dauert acht Semester, plus drei Monate Arbeit am Diplom. Ein Weg, der sich lohnt, will man in der digitalen Kreativbranche schnell vorankommen.

„Die Ausbildung bei uns ist enorm praxisnah“, sagt Professor Thomas Haegele, der jüngst in den Ruhestand verabschiedet wurde. Der Branchenpionier und frühere Institutsleiter blickt auf eine Laufbahn zurück, die von Autodidaktik geprägt war – verlief sie doch parallel zu den Umwälzungen in der Medienwelt: Als er anfing, baute man Modelle, filmte sie in Einzelschritten und animierte die Bilder. Heute lassen sich Figuren wie „Harald“ am Computer entwerfen und zum Leben erwecken. Der Raum, Licht, Kamera – alles ist digitale Illusion. „Früher brütete man oft allein über seinem Film, heute ist Teamarbeit das A und O“, sagt Haegele. Im Abspann von Moritz Schneiders „Harald“ sind 40 Namen zu lesen.

„Es bringt nichts, wenn hier zehn Nerds sitzen und einzeln vor sich hin arbeiten“, sagt Moritz Schneider. Jeder spezialisiert sich im Laufe seines Studiums, etwa auf das Gestalten oder Animieren von Figuren oder auf die visuellen Effekte in Filmen mit echten Schauspielern. Natürlich behält der Regisseur, in diesem Fall Moritz Schneider, die Fäden in der Hand. Aber den Weg vom ersten Entwurf bis zum fertigen Film gehen viele Kommilitonen gemeinsam. Frisur, Gesicht, Körperbau, Bewegungen und Handlung müssen vielfach angepasst werden, bis Optik und Geschehen ein stimmiges Ganzes ergeben.

Ein Kommilitone hat ein virtuelles Skelett konstruiert, um die Bewegungen der Figur zu entwickeln. Moritz Schneider hat die Figur dann zum Leben erweckt. Ein Vorgang, der aus vielen Einzelschritten besteht: „Die Animation selbst macht nur einen Teil der Arbeit aus“, erklärt er. Oberflächen, Licht, Schatten und Perspektiven aller Figuren und Hintergründe müssen in aufwändigen Rechenprozessen aufeinander abgestimmt werden. Arbeit, die kein Computer von selbst erledigt.

Neben dem Handwerk bietet das Institut auch ein Netzwerk, da die meisten Dozenten im Hauptberuf im Filmgeschäft arbeiten, etwa für Branchenriesen wie „Pixomondo“ oder „Pixar“. Wobei die Auftraggeber mittlerweile auch vor der Haustür sitzen: Neben dem „Studio Soi“, das bereits 2002 von Absolventen der Filmakademie in Ludwigsburg gegründet wurde, haben sich in der Region Stuttgart rund zwei Dutzend Animations-und Effects-Firmen angesiedelt, die alle Bereiche vom Werbe- über den Kino- bis zum Kunstfilm bedienen.

„Ich habe mich hier beworben, weil ich Geschichten erzählen wollte“, sagt Moritz Schneider. Die Effekte seien faszinierend, aber für ihn zähle in erster Linie die Handlung. Er lässt seinen Film weiterlaufen: Harald hält einen winzigen Setzling in seinen Pranken. Er will heimlich eine Blume ziehen, doch seine Mutter erwischt ihn und will sie ihm wegnehmen. Plötzlich reißt die Pflanze ihr Maul auf, verschlingt die Mutter und rülpst zufrieden. Happy End, wenn man so will. Und gleich im doppelten Sinne: Auf der „SIGGRAPH 2013“ in Kalifornien, einer der wichtigsten internationalen Fachkonferenzen für Computer Graphics, wurde „Harald“ in der Kategorie „Best Student Project Runners-Up“ ausgezeichnet. Auch der Preis „Best Student Project“ ging an ein Team vom Animationsinstitut.

 

Text: Dagny Riegel